Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
gehalten hatte und wirklich warten würde, bis sie in den Händen der Magierin war? Leise Zweifel regten sich in ihr. War es richtig, bis zur letzten Minute zu warten? Egal, Anna schüttelte den Kopf, Kyra würde ohnehin so lange warten müssen, bis sie den Phönix hatte. Sollte er sich in Gefahr befinden, würde sie es wissen und Peter ebenso … Anna war sich ganz sicher.
Sie lehnte sich an den Stamm und konzentrierte sich auf das ruhige Ein- und Ausatmen. Doch je länger sie hier saß und wartete, umso größer wurden die Zweifel an ihrer Entscheidung. Was, wenn Kyra den Phönix vielleicht doch schon eingefangen hatte, ohne dass Peter oder sie es wussten? Unwahrscheinlich, beruhigte sich Anna erneut. Das müsste sie doch wissen. Oder? Und wenn doch? Dann würde es die Magierin eilig haben, so viel stand fest. Wenn Peter dann nicht rechtzeitig hier war, war alles umsonst gewesen. Er würde zwar in der Lage sein, sie zu finden und vielleicht würde es ihm auch gelingen, Kyra auszuschalten, doch in Silvanubis würde nichts mehr so sein wie bisher … von ihrem eigenen Leben einmal ganz abgesehen. Sie spürte, wie eine eisige Hand ihr Herz umklammerte und fest zudrückte.
Anna schüttelte entschieden den Kopf. Nein, es war die richtige Entscheidung gewesen. Peter würde rechtzeitig hier sein, die Magierin hatte den Phönix noch nicht gefangen. Sie würden Nico sicher nach Hause bringen und Kyra ein für alle Mal das Handwerk legen. Nur für einen winzigen Moment sehnte sie sich nach Alexanders tröstenden Armen, als sie plötzlich eine Hand in ihrem Nacken spürte, die sie grob von dem Knebel befreite. Anna schluckte. Die Erleichterung, das eklige Tuch los zu sein, war größer als die Furcht vor dem, was nun geschehen würde. Annas Hals fühlte sich roh an und schmerzte, ihre Zunge klebte trocken im Mund.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu lange warten lassen, Anna?«
Ihr Kopf fuhr herum. Kyra war es nicht. Sie konnte nicht sehen, wer hinter ihr stand, doch die männliche Stimme kam ihr bekannt vor. Wo nur hatte sie diesen spöttischen Unterton schon einmal gehört? Sie musste nicht lange grübeln, denn der Fremde hatte mit wenigen Schritten den Baum umrundet. Die dunklen, kalten Augen blitzten noch ebenso abschätzig wie an dem Tag, als er seinen Freund mit Alexanders Messer getötet hatte.
»Glenn, was für eine Überraschung«, spottete sie. »Von hinten anschleichen, das konntest du schon immer recht gut.«
Glenn ging vor ihr in die Hocke und betrachtete sie kühl. »Kein Wunder, dass sie dir einen Knebel verpasst haben.« Er zog ein Messer aus seinem Ärmel hervor, durchtrennte die Fesseln um ihre Füße und zog sie mit einem Ruck in die Höhe. Anna sog scharf Luft ein. Ein stechender Schmerz fuhr ihr durch das linke Bein. Glenn lächelte. Mitleidlos packte er sie am Arm und zog sie hinter sich her. Anna unterdrückte ein Stöhnen, der linke Fuß wollte sie kaum tragen. Stolpernd ließ sie sich von Glenn weiterzerren. Seine Hand schloss sich wie ein Schraubstock um ihren Oberarm. Er hatte es eilig.
»Beeil dich ein bisschen«, herrschte er sie an. »Glaub mir«, er sah an ihrem Bein hinunter, »das ist noch gar nichts.«
»Wenn du es sagst, Glenn«, erwiderte sie forscher, als ihr zumute war.
Seine dunklen Augen blitzten schadenfroh, als sein kalter Blick sie streifte. Rücksichtslos schob er sie jetzt vor sich her. Anna biss die Zähne zusammen und hinkte so schnell es ging voran. Lange würde sie nicht durchhalten. Was wohl geschah, wenn sie die Kräfte verließen? Glenn hatte offensichtlich den Auftrag, sie irgendwo abzuliefern. Und zwar schnell.
»Da wären wir.«
Anna sah ihn verwirrt an. Hier? Mitten im Wald? Er trat neben sie und griff zwischen zwei Buchen. Natürlich, ein Abolesco Schleier. Er schob Anna durch den durchsichtigen Spalt, sodass sie stolpernd gegen die Holzwand einer kleinen Hütte prallte. Sie waren nicht die Einzigen, die diese Idee gehabt hatten. Glenn öffnete die Tür, packte sie am Arm und stieß sie heftig hinein. Dieses Mal gelang es ihr nicht, die Balance zu halten und so schlug sie, da sie sich mit den gebundenen Händen nicht abfangen konnte, schmerzhaft auf dem harten Boden auf. Hinter ihr wurde die Tür verriegelt, Glenn entzündete zwei Laternen und packte sie erneut grob am Arm.
»Steh auf.«
Leichter gesagt als getan. Mit zusammengebissenen Zähnen brachte sie sich in eine kniende Position. Ungeduldig zerrte Glenn sie in die Höhe und drückte sie gegen
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