Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
wir hineinkommen«, flüsterte er und starrte gebannt in das Unterholz. »Wir müssen handeln, jetzt. Wir müssen sie aufhalten.«
Noah sah Peter entgeistert an. »Siehst du auch wie viele wir aufhalten müssen?« Peter schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Aber es ist unsere einzige Chance.«
»Also gut«, Noah spannte den Bogen. »Jeder Schuss ein Treffer, Jungs.«
Peters Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Grinsen.
Jetzt konnten sie die nahenden Pferde erkennen. Vier Pferde … und auf dem ersten saß Nico. Er bemühte sich um eine aufrechte Haltung, doch Alexander sah die Angst in seinen Augen. Jemand hatte nachlässig einen Verband über sein rechtes Ohr gewickelt und am Hals waren ebenso Spuren von getrocknetem Blut zu sehen wie in den blonden Haaren. Alexander sah, wie sich Noah beim Anblick seines Bruders versteifte. Hinter Nico saß, wie sie vermutet hatten, ein Zwerg, genau wie auf den weiteren drei Pferden.
»Jeder Schuss ein Treffer«, wiederholte Peter flüsternd und schon hatte sein Pfeil das Ziel erreicht und der Zwerg hinter Nico fiel überrascht vom Pferd, ebenso wie Reiter zwei und drei. Den vierten holte Noah mit bloßen Händen aus dem Sattel.
»Kein Wort«, zischte er, »sonst geht es dir ganz schnell wie deinen Freunden hier.«
Der Zwerg nickte kurz, die Augen auf seine Kameraden geheftet. Zweien steckte je ein Pfeil im Oberschenkel und der dritte hielt sich seine Schulter. Peter hatte nicht lange gezögert und die drei verletzten Zwerge geknebelt und gefesselt. Noah schob ihm den vierten Gefangenen entgegen und zog schließlich wortlos seinen Bruder aus dem Sattel. Für einen Moment schien die Spannung von ihm abzufallen, seine Augen wurden weich, als er Nico in den Arm nahm und ihn kurz und heftig an sich drückte. Nicos Hände waren gefesselt und so wischte er sich mit beiden Fäusten verlegen eine Träne aus dem schmutzigen Gesicht. Peter strich ihm kurz über den strubbligen Schopf, räusperte sich und wandte sich dann an Noah.
»Ich weiß, du möchtest Nico beschützen, genauso wie ich. Aber wir müssen uns beeilen. Aus irgendeinem Grund scheinen sie auf Nico zu warten. Wenn er nicht innerhalb der nächsten Minuten dort eintrifft, wird Kyra Verdacht schöpfen.«
Noah wich Peters Blick aus, schüttelte den Kopf und zog eine finstere Grimasse.
»Wir nehmen die Stelle der Zwerge ein«, fuhr Peter fort und Noahs Kopfschütteln wurde heftiger. »Mit ein wenig Glück gelangen wir so in ihr Lager. Und dann …« Peter kratzte sich am Kopf, »… dann hängt viel vom Zufall ab. Aber wenn es uns gelingt, Kyra augenblicklich unschädlich zu machen, wird der ein oder andere sich vielleicht auf unsere Seite schlagen. Noah, ich weiß, ich verlange viel von dir und auch von dir, mein Junge.« Er strich Nico sanft über die Wange. »Doch wir haben genau eine Chance, Kyras Plan zu durchkreuzen und Anna zu retten. Und Silvanubis.«
Noah gelang es nur mit Mühe, den Blick von seinem Bruder zu lösen. Langsam, ganz langsam drehte er sich zu Peter und sah ihn an.
»Das kann nicht dein Ernst sein.«
*
Es war so still geworden im Lager, dass man die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können. Kyra hatte die Augen auf den Tunnel gerichtet, durch den auch Anna hergebracht worden war. Die Menschen hatten sich im Halbkreis hinter der Magierin versammelt, nicht wenige waren mit Schwertern oder Pfeil und Bogen bewaffnet. Wenn nur einer den Mut hätte … Es kam Anna irritierend bekannt vor. Während des Krieges war es nicht anders gewesen. Die unterschwellige Angst war immer da, hatte die Menschen gelähmt. Von den wenigen, die stark geblieben waren, hatten die meisten ihren Mut mit dem Leben bezahlen müssen. So wie sie jetzt wahrscheinlich. Wenn es jetzt und hier nur einer wagen würde, Kyra entgegenzutreten. Nur einer. Doch Anna suchte die Reihen der Menschen hinter der Magierin vergeblich nach einer mutigen Seele ab. Nur einer …
Hufgeklapper riss sie aus ihren Gedanken und ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. Zu spät. Es war so weit. Kyra griff nach den Messern, ihr Blick streifte Anna flüchtig und richtete sich dann wieder auf den Tunnel. Annas Herz trommelte verzweifelt. Wie viele Atemzüge waren ihr noch vergönnt? Anna atmete tief ein, nie hatte die Luft köstlicher geschmeckt, würziger geduftet als jetzt. In dem Augenblick, in dem Nico den Krater betrat, würde sie sterben. Anna ließ die Luft noch einmal durch ihre Lunge strömen, dann schloss sie die
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