Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
Augen.
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Die Hufe der Pferde hallten laut in der feuchten Kälte des Tunnels. Peter saß hinter Nico aufrecht im Sattel, hatte wild entschlossen die Schultern gestrafft. Nur noch wenige Sekunden trennten sie von einer Entscheidung. Alexander hielt sich dicht hinter ihnen und senkte ebenso wie Noah seinen Kopf. Er hoffte, dass Kyras Aufmerksamkeit in erster Linie Nico galt, weil sie ihn und zweifelsohne auch Noah augenblicklich erkennen würde. So viel hing vom Zufall ab, denn eigentlich erwartete die Magierin eine Handvoll Zwerge. Alexanders Magen zog sich zusammen, seine linke Hand hielt die Zügel des Pferdes und seine rechte umfasste Pfeil und Bogen. Reiß dich zusammen. Du darfst jetzt nicht die Nerven verlieren. Sobald sie die Magierin vor sich sahen, mussten sie handeln, ohne zu zögern. Sie hatten Nicos Fesseln gelöst und Noah hatte ihm ein kleines Messer in den Ärmel geschoben, sodass er wenigstens die Chance hatte, sich zu verteidigen. Alexander betrachtete seinen Freund verstohlen. Wie schwer es ihm gefallen war, seinen kleinen Bruder dieser Gefahr auszusetzen, konnte er nur erahnen. Doch auch Noah hatte schließlich einsehen müssen, dass ihre einzige Chance in raschem, entschlossenem Handeln lag. Zu viel stand auf dem Spiel. Anna riskierte ihr Leben, um die Existenz dessen, was alle hier ihr Zuhause nannten, zu sichern. Es ging um mehr, nicht nur um Anna und auch nicht nur um Nico. Am Ende des Tunnels wurde es heller. Noch einige wenige Meter.
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Die langen roten Haare der Magierin wehten im Wind. Aufrecht und selbstbewusst blickte sie ihnen entgegen. Ihre Mundwinkel zogen sich zu einem spöttischen Lächeln nach oben, als sie Nico erkannte und verliehen dem feinen Gesicht einen brutalen Zug. Nur einen Sekundenbruchteil lang glitten ihre Augen über die Ankömmlinge und der Spott wich Erstaunen. Unmerklich fuhr sie zusammen, als ihre Lippen ein einziges Wort formten. Noah. Gleichzeitig schleuderte sie drei Messer nach vorn, doch noch bevor sie ihr Ziel erreicht hatten, durchschlug Noahs Pfeil ihre linke Schulter.
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Noch ein Atemzug und noch einer … Sie spürte, wie etwas ihre Brust traf. Ein dumpfer Schlag, ein heißer Schmerz. Noch einmal atmen.
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Die Messer trafen gleichzeitig. Die Silberblüte verwelkte in dem Moment, als das Messer den Wurzelballen spaltete. Das zweite steckte unterhalb der linken Schulter bis zum Heft in Annas Brust und das dritte traf den mächtigen Körper des Phönixes. Doch es blieb nicht im Federkleid stecken, sondern landete federnd in einem der hölzernen Gitterstäbe hinter dem Vogel. Dort, wo sich eben noch der riesige Vogel befand, loderte nun ein gewaltiger Feuerball, der den ganzen Käfig gleich mit in Brand gesetzt hatte. Noch bevor Alexander Anna erreichte, war das Feuer verglüht. Nichts als ein großer Haufen Asche blieb zurück. All das war unwichtig. Mit einigen wenigen Sätzen war er an Annas Seite. Bitte, lass sie noch leben. Alexander griff mit beiden Händen zu und zog das Messer aus ihrem Brustkorb. Verblüfft stellte er fest, dass ein spitzes grünes Blatt immer noch in der Wunde steckte. Vorsichtig zog er auch das heraus. Er durchtrennte Annas Fesseln und ließ den leblosen Körper behutsam auf den Boden sinken.
»Anna, verdammt noch mal.« Ihm versagte die Stimme, als er sah, wie sich auf ihrem Hemd ein rasch größer werdender dunkelroter Fleck bildete. Entsetzt presste Alexander seine rechte Hand auf die Wunde. »Verdammt sollst du sein, Anna Peters.« In Windeseile riss er sich sein Hemd vom Leib, drückte es auf die Wunde und sank neben ihr nieder.
»Verdammt …« Seine Augen brannten, ihm war schlecht vor Schmerz und Trauer. Warme Feuchtigkeit durchnässte sein Hemd, das er umso fester auf Annas Brust presste. Ohne loszulassen, drehte er sich um, wartete darauf, dass ihn endlich jemand von seinen Schmerzen erlöste und ihm ein Schwert in den Rücken rammte oder sich ein Pfeil in seine Brust bohren würde, doch nichts dergleichen geschah. Niemand griff ihn an, ihn nicht und auch nicht seine Begleiter. Es war still geworden. Er sah, wie Noah den Pfeil aus Kyras Schulter zog und ihr teilnahmslos die Hände band. Die Magierin war verletzt, aber sie lebte.
Alexanders Augen brannten. Sie waren zu spät gekommen. Kyra hatte gewonnen. Sie lebte, ihre drei Opfer hatte sie vernichtet. Er spürte Annas warmes Blut unter seinen Fingern. Sie hätte wissen müssen, dass der Phönix hier war. Die Stille dröhnte in
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