Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
seinen Ohren, als er neben sich ein Geräusch vernahm. Ein Rascheln, ein Scharren, ein Piepen. Er sah zur Seite und staunte. Ein kleiner purpurroter Vogel, der vor seinen Augen größer wurde, bis er seine mächtige Gestalt erreicht hatte, die Schwingen ausbreitete und mit einigen kräftigen Flügelschlägen gen Himmel stob. Unzählige Augenpaare verfolgten den Phönix, der über ihnen seine Runden zog. Die Wachen auf den Palisaden legten ihre Waffen beiseite, niemand schien sich verpflichtet zu fühlen, für die Magierin zu kämpfen. Es war vorbei. Eine Handvoll ihrer Krieger flüchtete durch die zwei Tunnel, die aus dem Krater hinausführten. Es war vorbei und doch waren sie zu spät gekommen. Alexander war sich nicht sicher, ob es der Magierin gelungen war, ihr Ziel zu erreichen. Er bezweifelte es, denn der Phönix lebte schließlich immer noch. Oder wieder? Alexander wusste es nicht. Doch er hatte alles verloren, was ihm wichtig war. Annas Gesicht hatte eine wächserne Blässe angenommen.
»Verdammt sollst du sein«, wiederholte er erstickt. Annas Blut sickerte durch das Hemd und rann zwischen seinen Fingern hindurch. »Verdammt.« Mit der freien Hand strich er ihre feuchten Haare aus dem Gesicht, küsste mit bebenden Lippen ihre Stirn … und fuhr erschrocken zurück. Sie runzelte die Stirn und stöhnte schwach. Alexander berührte sacht die kleinen Fältchen über ihren Augen und Anna seufzte. Hastig drehte er sich um, er brauchte Hilfe. Anna brauchte Hilfe. Erschrocken fuhr Alexander zusammen, als Peter neben ihm in die Hocke ging.
»Sie lebt, Peter. Anna lebt!«
Mit sanfter Gewalt löste Peter Alexanders Finger von Annas Brust, riss ihr Hemd ein und betrachtete die Wunde. Das Messer war eine Handbreit unter ihrer linken Schulter in ihre Brust eingedrungen. Alexander musste sich auf dem Boden abstützen, die Wunde war tief und ein dünnes Rinnsal roten Saftes versickerte stetig im Boden. Verzweifelt drehte Alexander den Kopf zur Seite. Anna lebte. Noch.
»Alexander. Sieh mich an, verdammt noch mal.«
Peter legte die Hand auf Alexanders Schulter. Er hielt das grüne Blatt in der Hand, das zuvor in der Wunde gesteckt hatte und am Ende blutverschmiert war.
»Wo lag das? Alexander! Wo zum Teufel lag dieses Blatt?«
Alexander schluckte. »Es steckte in ihrer Brust, ich habe es herausgezogen.«
Nun war es Peter, der sich abstützen musste. »Dann hat sie keine Chance. Selbst wenn das Messer nicht tief genug eingedrungen ist und sie nicht tödlich verletzt hat. Es ist egal.« Tränen rannen über die faltigen Wangen. »Dolchpalme … Wenn das Blatt nicht sofort wieder herausgezogen wurde, hat sie keine Chance.« Er zog die Knie an und vergrub sein Gesicht in den Armen.
»Wir müssen die Blutung stillen.« Alexander griff erneut nach seinem Hemd, doch Peter legte die Hand auf seinen Arm und schüttelte den Kopf.
»Es hat keinen Sinn, Alex. Sie hat keine Chance. Lass sie einfach einschlafen.«
Alexander ballte die Hände zu Fäusten und schüttelte verzweifelt den Kopf. Das kam nicht infrage. Anna würde kämpfen. Er würde bei ihr sein. Fest drückte er das Hemd wieder auf die Wunde, als er über sich das Rauschen der Flügel des riesigen Vogels vernahm. Alexander sah nach oben. Der Phönix segelte genau über ihnen hin und her, beinah blieb er auf der Stelle stehen. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Der Anblick des Phönixes erfüllte ihn mit tiefem Frieden. Schmerz und Verzweiflung verschwanden und auch Annas gequältes Gesicht entspannte sich. Mit einem Mal war er sich sicher, egal, was geschah, es war gut, es würde gut werden, irgendwie. Das klebrige Stück Stoff glitt ihm aus der Hand, als eine scharlachrote Feder sich aus dem Gefieder löste und zu glühen begann. Peter hob nicht einmal den Kopf, als er instinktiv den Arm ausstreckte. Die glimmende Feder landete auf seiner Narbe, verlosch und fiel neben dem alten Mann auf dem Boden.
Wo Noah hergekommen war, wusste Alexander nicht. Doch der große Najade griff Peter sacht unter die Arme, als dieser zur Seite kippte, und reichte ihm wortlos seine Feldflasche. Der alte Mann trank gierig, nahm die Feder in die Hand und schwankte ein wenig, als er sich erhob. Er deutete auf das Blatt.
»Kyra muss es um das Messer gewickelt haben. Sie musste ihre drei Opfer mithilfe der Magie vernichten, um über Silvanubis herrschen zu können. Was für ein Mensch tut so etwas, Noah?« Ungläubig betrachtete er die Narbe auf seinem Arm. »Wer hätte das gedacht, der
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