Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
nie sexuelle Gefühle für sie hegte.
Irgendwann betrank er sich in Anwesenheit seiner Arbeitgeberin und stritt sich heftig mit ihr. Daraufhin kündigte er, reiste weiter und suchte sich eine andere Arbeit. Dieses Verhalten sollte er den Rest seines Lebens beibehalten. Es hielt ihn nie lange an einem Ort. Auf diese Weise ging er Problemen aus dem Weg und knüpfte keine tieferen Freundschaften.
Während er wie ein einsamer Wolf durch das Land zog und sich der jeweiligen Umgebung erstaunlich gut in Aussehen und Verhalten anpasste, wurde sein Alkoholkonsum immer stärker.
Mit zweiundzwanzig Jahren griff er völlig betrunken einige Polizisten an. Daraufhin wurde er in Gewahrsam genommen und musste eine Geldstrafe zahlen. Ein Bekannter riet ihm daraufhin, zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen. Etwa ein Jahr lang gelang es ihm mithilfe der Gruppe, sich von Alkohol fernzuhalten. Dann kam der Rückfall, den er so beschrieb: »Ich habe fast ein Jahr nicht getrunken und nach diesem einen Jahr im Dezember 1979 hat man mir einen Schluck Alkohol zu trinken gegeben, in einem Glas, von dem ich dachte, es wäre Limonade. Ich habe es getrunken und trank dann noch mehr. Neun Tage habe ich dann getrunken und dabei viel Unsinn gedacht.«
Der »Unsinn« steigerte sich zu einem Selbstmordversuch. Er wurde für zwei Monate in die psychiatrische Klinik von Manizales eingeliefert und verließ die Klinik mit der festen Absicht, zukünftigen Alkoholexzessen aus dem Weg zu gehen, was ihm immerhin für sieben Jahre gelang.
1987, er war dreißig Jahre alt, begann er auf einer seiner Reisen durchs Land wieder Alkohol zu trinken. Der Alkoholkonsum steigertesich schnell wieder in extremste Ausmaße. »Also, ich habe dann bis zu dem Tag, an dem man mich festnahm, jeden Tag von morgens an getrunken. Bevor ich aufstehen konnte, musste ich meistens Alkohol trinken. Mein Körper war nicht mehr in der Lage aufzustehen, er verlangte nach Alkohol. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte ich nicht aufstehen können. Dann habe ich meistens wohl temperiertes (lauwarmes) Bier getrunken, kalt schmeckte es mir nicht. Hatte ich kein Bier, dann trank ich Schnaps,obwohl mir Bier lieber war. Mein Lieblingsgetränk war Brandy de la Corte mit Coca-Cola, weil ich die Farbe der Flasche und den Geschmack mochte. Außerdem war es billig.«
Drei Jahre nach seinem erneuten Rückfall begann er, Stimmen zu hören, die nicht da waren. Er fing an, sich mit dem Glauben an dunkle, übersinnliche Kräfte zu beschäftigen, da er der Meinung war, die Stimmen müssten einen solchen Ursprung haben. »Ich habe Bücher zu okkulten Themen gelesen und bin immer tiefer in die Materie eingedrungen. Ich sah damals auch Dinge, die nicht da waren.« Diese Wahrnehmungen von nicht vorhandenen Dingen liefern ihm zusammen mit seinem Aberglauben bis heute eine Entschuldigung vor sich selbst, mit der er die Verantwortung für all seine Taten größtenteils von sich weist. »Ich habe im Gefängnis darüber nachgedacht, dass all das durch die Hexerei, die ich betrieben habe, passiert ist.«
Die erste Tat
Garavito fühlte schon früh das Bedürfnis, Jungen gewaltsam zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Mit neunzehn versuchte er, einen zwölfjährigen Jungen zu entführen, wobei er ihn mit einem Messer bedrohte. Der Junge schrie und rannte zur Polizei. Daraufhin wurde Garavito festgenommen und saß dafür kurz im Gefängnis. Nach diesem Erlebnis vergingen sechzehn Jahre, bis er wieder einen Angriff auf einen Jungen wagte. Garavito beschreibt seinen ersten Mord so:
»Es war ein Sonntag, der 4. Oktober 1992. Ich war am Busterminal von Cali und trank Alkohol, als ich bemerkte, dass etwas Fremdes von mir Besitz ergriff. Ich hörte damals bereits schon länger Stimmen. Ein zwölfjähriger Junge ging vor mir, und ich fühlte dieses Fremde, das Besitz von mir ergriff. Die Stimme sagte mir: ›Da geht ein kleiner Junge‹, und ich ging hin und sprach ihn an. Aber an den Mord, wie es geschah, habe ich nur sehr vage Erinnerungen. Später, als ich wieder im Hotel war, erkannte ich die Schuhe des Kleinen wieder. Dadurch habe ich mich erinnert, dass ich einenMord begangen habe. Aber daran, wie ich den Mord begangen und den Tatort verlassen habe, daran erinnere ich mich nicht mehr gut.«
Die Stimme, die Garavito auf den Jungen aufmerksam gemacht hatte, hörte er noch viele Male. Er sah auch immer wieder Dinge, die nicht da waren. Später behauptete er, er hätte dadurch immer fester daran geglaubt, von
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