Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
die ›Kraft‹, wie ich sie nenne, dazu, mehrere Morde an einem Tag oder an aufeinanderfolgenden Tagen zu begehen. Ich habe dabei immer weiter sehr viel Alkohol getrunken.
Als die ›Kraft‹ mich nach mehreren begangenen Morden nicht mehr drängte, fühlte ich mich oft zwei oder drei Tage lang sehr schlecht. Ich war sehr erschöpft und fühlte mich deprimiert. Ich habe dann manchmal das Messer, mit dem ich tötete, weggeschmissen, weil ich das nicht mehr tun wollte. Aber wenn die ›Kraft‹ wieder zu drängen begann, habe ich mir ein neues Messer besorgt.«
Opfer der Umstände oder kaltblütiger Killer?
Was ist Garavito für ein Mensch? Welche Charaktereigenschaften und Interessen zeichnen ihn aus? Hat er – wie er behauptet – ein schlechtes Gewissen oder versucht er nur mit Tricks wieder in Freiheit zu gelangen?
Immer wieder fällt auf, dass er dem Alkohol, den übersinnlichen Kräften, an die er angeblich glaubt, und seinen Eltern die Schuld für seine Taten in die Schuhe schiebt. Er sieht sich selbst als Opfer dieser Einflüsse und fühlt sich eigentlich als schon hinreichend bestraft für seine Taten. Das Eingesperrtsein, der Verlust der Frau, mit der er bis zu seiner Verhaftung zusammenlebte, und seine Depressionen im Gefängnis erscheinen ihm als vollkommen ausreichende und vielleicht sogar zu harte Strafe. Wiederholt beschreibt er, dass nicht er selbst, sondern die übernatürliche ›Kraft‹ihn zu seinen Morden drängte und er meistens keine Chance hatte, sich gegen diesen Drang zu wehren.
Dass er sich in gewissem Umfang allerdings sehr wohl beherrschen konnte, zeigt sich daran, dass er sich nie an Kindern von Freunden oder Bekannten verging. »Ich habe mir gedacht, dass ich mich nicht mit den Kindern meiner Freunde einlassen sollte. In vielen Fällen habe ich mich dabei ertappt, dass ich darüber nachgedacht habe, aber ich habe sie nie angefasst. Auch Rudolfo, dem Jungen der Frau, die mit mir zusammengelebt hat, habe ich nie etwas getan. Graciella war mehrere Jahre meine Lebensgefährtin. Wir lebten zusammen mit Rudolfo, den ich wie meinen eigenen Sohn behandelte. Ich wollte ein ganz normaler Familienvater sein, obwohl ich nur platonische Gefühle für Graciella hegte. Die beiden haben mir sehr viel Zuneigung entgegengebracht. Das war für mich eine glückliche Zeit. Ich kümmerte mich um sie und versuchte, mich so von diesem Drang zu töten abzulenken.«
Doch anstatt auch nur zu versuchen, seine tödlichen Gelüste wirklich dauerhaft zu kontrollieren, widmete er sich Horrorfilmen und der Verehrung Adolf Hitlers. »Zu dieser Zeit mochte ich Filme,in denen viel Blut floss. Das Schweigen der Lämmer sah ich fünf Mal, erinnere mich aber kaum noch an den Film. Aber ich habe mich nie auf Filme konzentriert, so wie es mir nachgesagt wird, in denen Kinder ermordet werden. Das war kein besonderes Interesse von mir. Das Wichtigste für mich war an den Filmen, dass das Blut floss – egal von wem. Ich habe auch Mein Kampf von Adolf Hitler gelesen und wollte wie er werden. Mit Hitler habe ich mich identifiziert, weil er auch von seinem Vater misshandelt wurde. Laut dem, was ich über Hitler gelesen habe, glaube ich, dass er eine homosexuelle Tendenz hatte, genau wie ich. Denn als er zur Schule ging, verliebte er sich in einen Jungen.«
Auch für andere Persönlichkeiten der Weltgeschichte interessierte sich Garavito: »Besonders die heilige Mutter Teresa von Kalkutta, Evita Perón, Saddam Hussein, Nelson Mandela und Mahatma Gandhi fand ich spannend. Ich habe es auch bedauert, dass am 31. August 1997 Prinzessin Diana von England starb, die eine sehr gütige Person war.«
Auf die Frage, was ihn an dieser doch eher ungewöhnlichen Zusammenstellung an Prominenten denn besonders interessiere, antwortete er: »Sie alle haben sich einer bestimmten Sache hingegeben.« An Aussagen wie dieser merkt man, dass moralische Bewertungen in Garavitos Sicht der Welt keinerlei Rolle spielen. Ob Hitler, Hussein, Mutter Teresa oder Mahatma Gandhi, sie alle beeindrucken Garavito seinen Angaben zufolge durch die Beharrlichkeit, mit der sie sich für etwas einsetzten. Tatsächlich jedoch – was er sicher nicht freiwillig zugeben würde, weil es ihn negativ dastehen lassen könnte – bewundert er die Macht über andere Menschen und den Ruhm, der sie alle verbindet. Dabei spielt es für ihn keine Rolle, ob ihr großer Einsatz menschenfreundlichen oder menschenverachtenden Zielen galt.
Dass er nicht großen persönlichen
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