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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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diejenigen, die nach drei Monaten noch am Leben waren, hatten versucht, in andere Kommandos zu kommen. Einigen war das gelungen, und Zbyszek hatte man wegen seines kräftigen Körperbaus in der Küche eingesetzt. Ich erzählte ihm, daß auch ich einst dieses Glück gehabt und fast zehn Monate in der Häftlingsküche von Auschwitz gearbeitet hatte. Auf diese Weise brachten uns die gemeinsamen Erlebnisse und Erfahrungen noch näher. Von einem gewissen Zeitpunkt an besorgte Zbyszek etwas Verpflegung aus der Küche und teilte sie mit mir. Um eine gute Pritsche und eine gute Decke zu bekommen, gab er dem Blockältesten irgend etwas aus der Küche ab.
    Das beeinflußte meine Situation im Block. Ich war ein Kumpel des Kochs. Die Stubenältesten jagten mich nicht mit dem Stock oder dem Knüppel zum Appell, und als Zbyszek ihnen sagte, daß ich seit vier Jahren im Lager war, begannen sie, mich etwas besser zu behandeln. Ich konnte das nicht verstehen, aber am Ende begriff ich dann doch, daß die Menschen meist mit denen rechnen, die etwas bedeuten oder stärker sind. Und die Freunde der Starken oder derjenigen, die im Lager etwas bedeuteten, durften hoffen, daß sie überleben würden.
    Man erreicht jedoch nie etwas umsonst, nicht ohne Abhängigkeit von dem, der einen beschützt. So war es mit Tadeusz im Revier gewesen, und so war es jetzt mit Zbyszek im Block 10 . Im Krankenrevier hatte ich die Dankbarkeit für meine Betreuung dadurch bezeigt, daß ich den anderen geholfen hatte. Im Block 10 verhielt es sich etwas anders. Wenn es Zbyszek gelungen war, irgend etwas in der Küche zu organisieren, wandte er sich an mich, damit ich die »heiße Ware« sicherstellte. Für einen Straßenfeger unter der Aufsicht des Lagerschutzes war das weder schwer noch kompliziert. Und auf diese Weise geriet ich in das Netz der sich gegenseitig unterstützenden Häftlinge.
    Am wichtigsten war, daß man den SS -Leuten nicht auffiel. Sie waren unser Feind Nummer eins. Zwischen den Reisigbesen und Eimern in der Abstellkammer, zu der ich Zutritt hatte, verwahrte ich also von Fall zu Fall mal ein ganzes oder ein halbes Brot, mal einen Würfel Margarine oder ein Stück Pferdewurst. Diese besorgten Lebensmittel bewachte der ebenfalls im Block 10 untergebrachte Lagerschutzmann Max. Das war ein fünfzigjähriger, sympathischer Deutscher, der schon zehn Jahre im Lager war. Er war den Polen gewogen. Im Gegensatz zu den anderen Kriminellen – meist sadistische Banditen und gewöhnliche Verbrecher, die ihre Mithäftlinge ermordeten – gehörte Max gewissermaßen zu den Aristokraten der »Grünen« (der kriminellen Häftlinge, die einen grünen Winkel trugen). 1934 hatte er angeblich mehrere gelungene Banküberfälle verübt, bis er schließlich von einer Frau verraten worden war, die sich als Gestapo-Spitzel entpuppte. Er hätte nie die langen Jahre im Lager überlebt, wenn er nicht die Fähigkeit besessen hätte, in allen Lebenslagen mit den andern Häftlingen zurechtzukommen. Als Deutscher und Funktionshäftling hatte er es sowieso leichter.
    Zbyszek war gewitzt genug, nur dann etwas im Lebensmittellager oder in der Küche zu »organisieren«, wenn die Gelegenheit günstig war. Daher konnte er seinen Posten als Koch ziemlich lange halten. Um etwas beiseite schaffen, herausschmuggeln oder weitergeben zu können, war aber ein Ort erforderlich, wo man das Besorgte aufbewahren und vor den SS -Leuten verbergen konnte. Mich hatte er zum Aufbewahrer auserkoren. Im Block gab Zbyszek häufig Florkowski und Podgórzec etwas Brot oder Wurst ab. Podgórzec war wegen seiner Sprachkenntnisse so etwas wie ein Blockdolmetscher. Der aus Schlesien stammende Ingenieur war trotz der dramatischen Zwischenfälle, von denen es nur so wimmelte, stets heiter und lächelnd. Alle hatten ihn wegen seines gepflegten Verhaltens und seiner Kameradschaftlichkeit gern. Das war im Lager nicht jedem gegeben. Podgórzec und Florkowski waren zweifellos Ausnahmefälle.
    Florkowski war in der Schreibstube des Lagers beschäftigt, und bei Handballspielen fungierte er als Schiedsrichter. Zwei- oder dreimal im Monat gab der Lagerkommandant Sonntag nachmittags bei schönem Wetter die Erlaubnis, daß auf dem Appellplatz zwischen dem Bad und der Küche Handballspiele zwischen zwei Mannschaften ausgetragen werden durften. Daran beteiligten sich gesunde, in besseren Kommandos beschäftigte Häftlinge. Als Zuschauer tauchten neben den Häftlingen auch einige SS -Leute auf. Meist spielten

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