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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Arbeit im Lager einwies, nicht aber im Steinbruch oder in den Flugzeugwerken.
    Das war ein günstiger Umstand für mich. Ich erlebte, daß mir andere Häftlinge um so mehr halfen, je länger ich im Lager saß. Und so geriet ich erneut in die Gruppe der Lagerstraßenfeger, die unter anderem von einem Angehörigen des Lagerschutzes, einem gewissen Max, beaufsichtigt wurde, der ebenfalls im Block 10 untergebracht war. Sowohl der Blockälteste Kurt als auch Lagerschutzmann Max gehörten, obwohl sie kriminelle Häftlinge waren, keineswegs zu den übelsten. Ich habe nie gesehen, daß einer von ihnen einen Häftling gepeinigt oder erschlagen hätte. Eine ganz andere Situation trat ein, als sich einige Funktionshäftlinge Ende 1944 , Anfang 1945 darüber klar wurden, daß ihre Macht früher oder später zu Ende gehen mußte und daß die schwachen, geprügelten, sich kaum noch rührenden Häftlinge zu ihren Anklägern werden konnten. Im Verhalten, sowohl der Funktionshäftlinge des Lagers als auch einiger weniger SS -Leute, konnte man einen gewissen Sinneswandel wahrnehmen.
    Im Lager Flossenbürg herrschten jedoch weiterhin Terror und Gewalt. Besonders betraf das Häftlinge, die bei der Arbeit Sabotage verübt hatten oder Fluchtversuche unternahmen. Zu Weihnachten 1944 , am Heiligabend, erhängten SS -Leute an einem, in der Nähe des Tannenbaums errichteten, Galgen mehrere Häftlinge. Ein paar Wochen später wurde auf dem Appellplatz erneut ein Galgen aufgestellt. Alle Blocks bekamen die Anweisung, sich bei der öffentlichen Hinrichtung, die vor allem der Abschreckung dienen sollte, rings herum aufzustellen. Damals stand ich in der Kolonne der Häftlinge des Blocks 10 , unweit der Stätte, zu der die Verurteilten geführt wurden.
    Lagerkommandant Kogel und andere SS -Leute waren bei der Hinrichtung zugegen. Einer der SS -Leute begann das Urteil zu verlesen, während zwei andere den Häftling auf das Podest zerrten und ihm die Schlinge um den Hals legten. Sie hatten irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Strick, an dem der Delinquent hängen sollte. Der bekam das wahrscheinlich mit und fing plötzlich an, laut und deutlich zu rufen:
    »Rebjata, es macht nichts, daß ich sterbe. Die Freiheit kommt bald! Haltet euch tapfer! Die Rote Armee bezwingt das Hitler-Gezücht. Verübt Sabotage! So wie ich! Rächt den Tod derer, die in den KZ s umgekommen sind! Es lebe die Freiheit, es lebe …«
    In diesem Augenblick erstarb die Stimme des Verurteilten, sie wurde gleichsam erstickt. Den SS -Leuten war es am Ende gelungen, am richtigen Strick zu ziehen und den Häftling zu erhängen. Alle waren tief beeindruckt. Der Kommandant war wütend. Unter den kahlgeschorenen Köpfen, die Mützen waren abgenommen, kam ein gedämpftes, gleichsam unheilverkündendes Murmeln auf. Ein zweiter Häftling wurde steif, mit weit aufgerissenen Augen auf das Schafott geführt. Es war zu sehen, daß er vor Angst wie gelähmt war. Die SS - Leute »erledigten« ihn rasch und ohne Umschweife. Dann ertönte das Kommando »Abtreten!«
    Mit hängenden Köpfen wandten sich die Häftlinge ihrem Block zu. Ich aber war immer noch dort am Galgen. Ich hörte immer noch die Stimme desjenigen, der bis zum Schluß gekämpft hatte. Selbst mit seinen Worten hatte er den anderen Zuversicht verliehen, obwohl er wußte, daß er sterben würde. Für mich war er ein Held. Er hatte sich bis zum Schluß widersetzt, bis zum Schluß hatte er die Schergen herausgefordert.
    Noch ein Tod mehr – überlegte ich. Noch ein Mensch mehr hat sterben müssen, weil er anders gedacht und gefühlt hat. Er hat einem andern Volk angehört, das ausgerottet werden sollte. Müssen eigentlich diejenigen, die irgendwelche Macht haben, stets ihre Gegner verfolgen, nur weil sie anders denken und einem anderen Volk angehören? Wird es immer Gefängnisse, Galgen und Erschießungen geben? Werden Faschisten und Verbrecher stets die Oberhand behalten? Werden die Stärkeren sich stets Schwächere untertan machen und sie ausrotten?
    Das Saubermachen der Lagerstraßen gehörte nicht zu den anstrengenden Beschäftigungen, aber ein Straßenfeger mußte während der Arbeit höllisch aufpassen, um den Funktionshäftlingen, den Kapos und Blockältesten, vor allem aber den SS -Leuten nicht unangenehm aufzufallen. Ich befand mich das vierte Jahr im Lager, und das Straßenfegen betrachtete ich als günstige Gelegenheit, um Kräfte zu sparen und intensiverer, schwererer Arbeit zu entgehen. Beim Fegen konnte ich weder

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