Aus der Hölle zurück
siebenköpfige Mannschaften mit Polen und Deutschen gegeneinander. Ich kann mich aber auch an eine Begegnung zwischen Russen und Deutschen erinnern. Eines der Spiele gewannen die Polen haushoch 7 : 1 gegen die Deutschen. Zur siegreichen Mannschaft gehörte auch Zbyszek, der Schütze von drei Toren. Daher rührte seine Popularität bei den polnischen Häftlingen, aber auch unter den Zuschauern aus den anderen Ländern.
Es mag zwar ganz unglaublich klingen – sportliche Begegnungen in einem Konzentrationslager. Aber so war es! Auf demselben Platz, auf dem öffentliche Hinrichtungen vorgenommen wurden, kämpften andere Häftlinge um den sportlichen Sieg ihrer »Nationalauswahl«. Sie kämpften natürlich auch ums Überleben, denn die siegreiche Mannschaft bekam – mit Genehmigung des Kommandanten – einen zusätzlichen Kessel Lagersuppe aus der Küche. Der Hunger war die Triebkraft für viele Einfälle und Handlungen der Häftlinge, die ihr Lagerschicksal verbessern wollten. Die sportlichen Begegnungen wurden Ende 1944 , Anfang 1945 möglich, weil sich die Einstellung zu den Häftlingen geändert hatte. Sie war nicht mehr so streng wie in den Jahren 1940 – 1942 . Die SS -Leute wurden »umgänglicher« gegenüber den Häftlingen, die sie brauchten.
Weiterhin starben die Häftlinge infolge von Hunger, Krankheit und schwerer Arbeit, das Krematorium qualmte Tag für Tag. Es wurde aber weniger geprügelt und mißhandelt. Die Blockältesten und Kapos, die den Häftlingen tüchtig zugesetzt und das Leben so manchen Mithäftlings auf dem Gewissen hatten, veränderten sich insofern, als sie jetzt eher »aus Gewohnheit« prügelten, ohne sich an den Qualen zu weiden und ohne ihre sadistischen Gelüste an den Opfern auszulassen. Sie hielten einfach »Ordnung« mit Stock und Knüppel. Und diese Schlaginstrumente benutzten sie immer seltener, weil ihre Selbstsicherheit und Hochmütigkeit immer geringer wurden.
Die fortwährenden Niederlagen der Nazis an den Fronten ließen ihren Zusammenbruch und den ihrer Helfershelfer immer näher rücken, jener Leute, die in den Lagern Terror und Gewalt ausübten. Die Funktionshäftlinge wurden sich langsam darüber klar, daß sie die wohlverdiente Strafe treffen könnte. Einige von ihnen besorgten sich immer öfter auf den verschiedensten Wegen und auf die unterschiedlichste Weise Alkohol, um darin ihre Sorgen zu ertränken. Meist erledigten sie das durch Beziehungen zu zivilen Meistern aus der Fabrik » 2004 «. Doch den beunruhigten »grünen« Banditen reichten die kleinen Mengen Alkohol nicht, die sie sich mit Hilfe der Meister besorgten. Am Silvesterabend veranstaltete eine Gruppe »Grüner« im Block 9 eine Schnapsfete, zu der einer von ihnen ein paar Liter Methylalkohol mitbrachte.
Die Folgen waren katastrophal. In den nächsten Tagen starben mehrere Teilnehmer an dem Gelage, andere erblindeten. An ihren Vergiftungen starben damals Oberkapo Willy aus dem Werk » 2004 «, der Blockälteste des Blocks 22 , ein Österreicher, und der wegen seines Sadismus berüchtigte Blockälteste Hume vom Block 23 . Der Gehilfe Humes, der einbeinige Kurt, erblindete und starb einige Wochen später. Auch der Blockälteste Dietrich vom Block 20 starb. Sie alle traf die Strafe für die begangenen Verbrechen und für das qualvolle Peinigen der Häftlinge. Manchmal fällt das Schicksal ein überraschendes, aber gerechtes Urteil. Den Deutschen, der den Methylalkohol »geliefert« hatte, trieben andere, gesunde deutsche Funktionshäftlinge nach der Arbeit in den elektrisch geladenen Lagerzaun.
Das Drama im Block 9 nahmen die Häftlinge anderer Nationalität voller Genugtuung auf, sie betrachteten es als Schicksalsfügung und dankten Gott, daß er die Banditen bestraft hatte. Tatsächlich starben damals mehrere Verbrecher, die außergewöhnlich viel Dreck am Stecken hatten. In die Gelage und in den Alkoholschmuggel ins Lager waren mehrere andere Funktionshäftlinge einschließlich des Lagerältesten verwickelt. Infolge der Vorfälle im Block 9 ordnete der Lagerkommandant mehrere personelle Veränderungen auf führenden Posten der Häftlingsverwaltung an, die jedoch keine größeren Auswirkungen auf das Leben und das weitere Dahinvegetieren der Häftlinge in Flossenbürg hatten.
In den ersten Monaten des Jahres 1945 überflogen immer öfter alliierte Flugzeuge das Lager. Von Zeit zu Zeit wurde Fliegeralarm gegeben, was uns Häftlingen aber nur Zuversicht einflößte und die Hoffnung erweckte, daß die
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