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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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den Befehl ausgeführt hatten, brachte uns Plagge zurück zu unserer Lagerküche. Er versuchte nicht, seine Befriedigung zu verbergen. Als er uns seinen Gefolgsleuten von der Küche übergab, sagte er ihnen so laut, daß wir es hören konnten: »Na ja, in drei Tagen können wir das Lager evakuieren. Wir warten nur noch auf den Marschbefehl. Bereitet euch schon vor.« Dann wandte er sich ab und verließ mit wankenden Schritten den Küchenhof. Es stand also sehr schlecht um sie. Endlich!
    Wir haben die letzte Etappe der qualvollen Pein vor uns – sagte ich mir. Aber wird sie uns in die Freiheit führen?
     
    Die nächsten Tage hindurch feierte Plagge den Geburtstag seines Führers. Die beiden SS -Posten der Küche wurden zu einem Gelage eingeladen, das Plagge in seinem Quartier für mehrere SS -Leute veranstaltete. Die SS -Leute soffen, und die Fliegeralarme und Luftangriffe gingen Tag für Tag weiter. Es fiel immer schwerer, die Küche mit dem Nötigsten zu versorgen. Seit mehreren Tagen kochten wir Mehlsuppe, der wir die noch im Lager befindlichen Graupen- oder Erbsenreste beifügten. Bisher war aus diesen Beständen nur für die SS -Leute gekocht worden. »Unser« alter Küchenchef befahl dem Österreicher, so viel wie möglich in die Kessel zu schütten. »Das wird sich schließlich niemand aufbürden, wenn sie uns befehlen, das Lager zu evakuieren«, meinte er. Einige Tage lang war die Lagersuppe dicker und nahrhafter; dann waren die Vorräte im Magazin auf ein Mindestmaß zusammengeschmolzen.
    In der Nacht vom 25 . zum 26 . April gab der Lagerkommandant gegen eins Alarm und ordnete den Abtransport der Häftlinge an. Auf der Straße vor dem Haus, in dem wir fast sechs Wochen lang gewohnt hatten, traten in Fünferreihen alle Häftlinge an. Jeder bekam ein blechernes Kochgeschirr und drei Löffel Zucker, außerdem erhielt man ein halbes Brot. Es wurden auch Decken verteilt, die sich die Häftlinge überwarfen. Nachdem die ganze Kolonne gezählt war, erfolgte der Abmarsch über die Donaubrücke. Die Feldküchen waren mit Lebensmitteln beladen, hauptsächlich mit Kartoffeln, Mehl und Zucker. Einen Teil der Vorräte hatte man auf einen Wagen geladen, der von Häftlingen gezogen wurde. Ein Kapo beaufsichtigte sie. Mehrere andere Häftlinge schoben den Rollwagen, auf dem wir die beiden »Getränkekessel« für Plagge herbeigeschafft hatten. Er war mit einigen Säcken Kartoffeln, Rüben und Zucker beladen. Der ganze »Vorrat« reichte beim Stand von 1000 Mann für drei, höchstens vier Mahlzeiten.
    Jede Feldküche wurde von sechs Häftlingen gezogen. Die eine lenkten Zbyszek und ein weiterer Häftling, die andere ich und Henek (Henryk) Freyer aus Łódź. Die SS -Posten umkreisten die ganze Kolonne und ließen nicht den geringsten Halt zu. Der Marsch war von Anfang an ein Eilmarsch. Irgendwo in der Ferne hörte man von Zeit zu Zeit den Donner von Bombeneinschlägen. Die SS -Leute hatten vor irgend etwas Angst und trieben uns daher bei jeder Gelegenheit zur Eile an. Die schwächeren Häftlinge begannen nach zwei Stunden Marsch zurückzubleiben, und die Kolonne zog sich in die Länge. Es kam zu entsetzlichen Szenen.
    Der Unterscharführer, dem die Wachmannschaft unterstand, ein außergewöhnlich brutaler Sadist, fing an, auf jeden »Trödler« zu schießen, der zurückblieb. Andere SS -Leute folgten seinem Beispiel. Vom Ende der auf etwa anderthalb Kilometer auseinandergezogenen Kolonne her war immer wieder das kurze Knallen von Maschinenpistolen oder Karabinern zu vernehmen.
    Wir zogen in Angst und Spannung dahin. Die beiden Feldküchen und der Wagen mit den Lebensmitteln befanden sich an der Spitze der Kolonne. Die als Zugtiere eingesetzten Häftlinge versuchten, den raschen Marsch der SS -Leute mitzuhalten. Das war natürlich Irrsinn, aber auch ich unterlag dieser Psychose. Zbyszek bekam rasch mit, was los war, eilte zu der Feldküche, die ich gemeinsam mit den andern zog, und sagte: »Tadek, wir verzögern das Tempo! Die am Ende schaffen es nicht. Dort gibt es mehrere Kranke.« »Aber selbstverständlich, Zbyszek! Alles klar. Wird schon gemacht.« Und ich übernahm wieder selbst die Deichsel der Feldküche.
    Allmählich verlangsamte die Kolonne das Tempo. Das ging etwa eine Stunde gut, dann tauchte vorne plötzlich Oberscharführer Plagge auf und drohte sogleich: »Irgendwie kommt es mir so vor, als ob ihr keine Kraft mehr habt. Vielleicht sollen euch andere ablösen, und ihr geht ans Ende der Kolonne, was?!« Eine

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