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Aus der Spur

Aus der Spur

Titel: Aus der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Smith
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widmete sich wieder seinem Bier.
    Anfangs kam Nelson tatsächlich nicht gut mit. Aber schon bald achtete er kaum noch auf seine Karten und beobachtete stattdessen das Mienenspiel seiner Mitspieler. Er gewann immer öfter. Wenn einer seiner Gegner ein gutes Blatt auf der Hand hatte, stieg er grundsätzlich aus. Chang war sich natürlich bewusst, dass Nelson kleinste Veränderungen in der Mimik der anderen lesen konnte.
    Der Frust, der sich auf den Gesichtern der SORT -Männer breitmachte, war dagegen alles andere als klein. Ihre höfliche Belustigung über das seltsame Männchen schwand, als Nelson ein Blatt nach dem anderen gewann. Bald verlangte Nelson überhaupt keine Karten mehr, sondern nippte an seinem Bier und musterte die anderen Spieler durchdringend.
    Wiggins trank den ganzen Abend hinweg eine beachtliche Menge Bier. Auch ohne Nelsons Einfühlungsvermögen konnte Chang sehen, wie sehr er sich ärgerte. Als der höchste Einsatz des Abends auf dem Tisch lag, kam es zum Showdown zwischen Wiggins und Nelson; alle anderen Spieler waren bereits ausgestiegen.
    » Jetzt geht’s um die Wurst. Mach schon, Wiggins! Einen Sieg für das Team! « , rief Hull.
    » Nach dir « , sagte Nelson zu Wiggins.
    » Du bluffst doch. Du hast nichts auf der Hand. Dich schlag ich doch sogar mit diesen miesen Karten! «, raunzte Wiggins und zeigte sein Dreierpaar vor. Als Nelson ein Fünferpaar aufdeckte, lief Wiggins’ Gesicht rot an. Changs Herz schlug schneller.
    » Du verarschst mich doch! Das muss ein Trick sein. Bist du Hellseher oder was? « Wiggins goss sich drei Viertel seines Biers auf einmal in die Kehle und zerquetschte die leere Dose.
    Nelson unterdrückte einen Rülpser. » Ist nicht meine Schuld. Du hast mir verraten, was du auf der Hand hast. «
    » Warst du echt ’n Cop? « Wiggins musterte Nelson, als sähe er ihn zum ersten Mal. » Sonderkommando oder Sonderschule? « , prustete er dann und sah sich beifallhaschend nach seinen Freunden um.
    » New Yorker Polizei. «
    » Wie lange denn? «
    » Zu lange. «
    Chang blieb ruhig. In seinem Innern bogen sich die Käfigstäbe.
    » Ach, wirklich? Was für ’ne Waffe hast du denn getragen? «
    » Ein Luftgewehr. « Nelson war damals bei unangekündigten Inspektionen grundsätzlich aufgefallen, weil er seine Waffe immer zu Hause liegen gelassen hatte und mit einem leeren Halfter durch die Gegend spaziert war.
    Wiggins runzelte die Stirn. » Hast du irgendwann mal ’ne Tür eingetreten und einen verhaftet? «
    » Nö. «
    » Mal jemanden nach einer Autoverfolgung hopsgenommen? «
    » In New York fahren die Verbrecher mit der U-Bahn. Anscheinend kommst du nicht oft aus Delaware raus. «
    » Hast du überhaupt mal einen erwischt? «
    » Hin und wieder. «
    » Wie hast du die denn festgenommen? Wahrscheinlich haben dir Leute wie ich den Rücken freigehalten und die Drecksarbeit gemacht. Sonst hättest du dir noch wehgetan! «
    Nelson sah Wiggins ins Gesicht. » So ähnlich, ja. Den Spitznahmen ›Neurosen-Nelly‹ hatte ich nicht von ungefähr. «
    Bei diesen Worten schlich sich ein leichter Brooklyn-Akzent in Nelsons Stimme ein. Das passierte nur, wenn er aufgeregt oder wütend war. Als Kind war Nelson zwischen Pflegefamilien und einem katholischen Waisenhaus hin und her geschoben worden. Er hatte Chang erzählt, dass eine winzige, zierliche Nonne ihm seinen Akzent mit dem Prügelstock » ausgetrieben « hatte.
    Changs Vater hatte ein Vermögen in das gestochene Schulenglisch seines Sohns investiert. Seine obsessiven Bemühungen, dass man Chang weder den Asiaten noch den New Yorker anhörte, hatten Früchte getragen. Doch was in Vaters Ohren » besser « klang, hörte sich für den Rest Amerikas einfach nur » nicht normal « an.
    Nelson war angespannt wie eine Bogensehne, als er sich vorbeugte. Chang hörte, wie er Wiggins zuflüsterte: » Willst du zuerst die gute oder die schlechte Nachricht hören? Keine Angst, Wiggins. «
    » Wovor denn? Vor dir etwa? « Wiggins spielte den harten Kerl, aber sein unsicherer Blick verriet ihn.
    Nelson wies auf Tate und Hull und meinte: » Die gute Nachricht ist, dass einer deiner Freunde dich nicht für einen Schwächling hält. « Nelson warf den beiden einen Blick zu. » Aber ich sag nicht, welcher. Das ist unser Geheimnis… «
    Wiggins erhob sich abrupt.
    Auch Chang sprang auf und hörte seinen Stuhl auf den Boden knallen. » Setz dich hin, oder du bekommst es mit mir zu tun. «
    Hull und Tate legten Wiggins die Hände auf die

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