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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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gegenüberzusitzen. Aber ich mochte Helen Ross. Und an der Offenheit, mit der sie über ihre privaten Schwierigkeiten gesprochen hatte, merkte ich, dass ich sie nicht nur nach ihrem offensichtlichen Wohlstand beurteilen durfte. Sie litt wie wir alle und wollte, dass ich das wusste. Da dieses Geständnis von einer Wildfremden kam, hatte es fast schon etwas schmerzhaft Aufrichtiges.
    »Im Moment habe ich nur drei Objekte an der Hand, die ich Ihnen zeigen kann – und das erste ist das beste.«
    Die Wohnung lag in einem Viertel namens Mount Royal, laut Helen Ross eines der angesagtesten Viertel der Stadt.
    Am einen Ende der 17. Avenue SW standen ein paar hässliche Wohnblocks (was eine Art Spezialität Calgarys zu sein schien) und ein 7-Eleven. Als wir die Straße hinunterfuhren, fielen mir ein paar Cafés, Boutiquen, eine Reihe renovierter Ziegelaltbauten, ein paar Buchläden und ziemlich viele Restaurants auf. Gut, Harvard Square sah anders aus. Aber nach meinem horrenden ersten Eindruck von Calgary war das gar nicht mal so schlecht.
    Wir bogen in eine Seitenstraße und hielten vor einem der wenigen 1930er-Jahre-Altbauten der Stadt.
    »Das war mal eine Schule«, sagte Helen Ross, »ist aber jetzt ein sehr schönes Wohnhaus.«
    Das »Objekt«, das Helen für mich im Auge hatte, lag im zweiten Stock und ging nach hinten raus. (»Aber morgens scheint voll die Sonne rein.«) Wie angekündigt, war es ein etwa dreiundzwanzig Quadratmeter großes Einzimmerapartment, aber hübsch renoviert. Schlichte eierschalenfarbene Wände, Parkett. Eine moderne Kochzeile mit allem, was man brauchte. Ein modernes, neutrales Bad. Ein Sofa mit grauem Stoffbezug. Ein dazupassender Sessel mit Fußschemel. Vom Boden bis zur Decke reichende Einbauschranktüren, die ein großes Klappbett mit einer angenehm harten Matratze enthielten. Ein Bistrotisch und zwei hölzerne Thonet-Stühle.
    »Es gibt einen praktischen begehbaren Schrank. Und im Keller ist ein Waschraum. An der Wand da drüben beim Fenster ist Platz für einen Schreibtisch. Es gibt Kabel- und WLAN -Anschluss.«
    »Ich sehe nicht fern, und ich habe keinen Computer mehr«, hätte ich beinahe gesagt, wollte aber nicht klingen wie eine Geisteskranke.
    »Und wenn Sie bereit sind, einen Zweijahresvertrag zu unterschreiben, kann ich den Preis um 100 auf 625 Dollar reduzieren.«
    »Abgemacht«, sagte ich.
    Trotzdem musste ich Referenzen nachweisen. Also rief ich am nächsten Morgen Laurence Phillips, den Angestellten der Fleet Bank in Somerville, an, wo ich mein Girokonto hatte. Wir hatten ein paarmal miteinander zu tun gehabt – und obwohl er meinen Anruf sofort entgegennahm, schien er aufrichtig überrascht zu sein, von mir zu hören.
    »Ich wusste, dass Sie aus Boston und Umgebung weggezogen sind … und habe auch von Ihrem schlimmen Verlust erfahren. Es tut mir sehr leid. Ich weiß nicht, ob Sie unser Kondolenzschreiben erhalten haben …«
    »Ich konnte kein einziges lesen.«
    »Natürlich, natürlich. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    »Können Sie ein Geheimnis bewahren, Mr Phillips?«
    »Solange es nichts Illegales beinhaltet …«
    »Es ist nichts Illegales, es geht nur um meinen Aufenthaltsort.«
    Dann erklärte ich ihm, dass ich in Calgary gelandet sei, wobei ich meinen gescheiterten Selbstmordversuch für mich behielt.
    »Ich möchte Sie einfach nur bitten, der Maklerin meinen Kontoauszug zu faxen sowie einen Brief, in dem steht, dass ich eine gute Kundin mit guter Bonität bin usw.«
    »Das tue ich gern.«
    »Sie müssen mir auch versprechen, dass Sie meinen neuen Aufenthaltsort niemandem verraten.«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort.«
    Am Nachmittag rief mich Helen Ross dann im Hotel an, um mir zu sagen, dass sie die nötigen Referenzen von Laurence Phillips erhalten hätte und ich den Mietvertrag am nächsten Tag unterzeichnen könne. Ich müsse eine Monatsmiete Courtage sowie eine weitere für die Kaution bezahlen.
    »Kein Problem«, sagte ich.
    Wir trafen uns am nächsten Tag in der Wohnung. Ich unterschrieb den Mietvertrag und gab ihr 1250 Dollar in bar. Ich ging einkaufen. Auf Helens Empfehlung hin mietete ich mir auch für ein paar Tage einen Wagen – sie hatte einen Freund, der für die Innenstadtfiliale von Alamo arbeitete. Der gab mir für 100 Dollar drei Tage lang einen Kleinwagen, einschließlich Steuer und Versicherungen. (Ich drehte jeden Dollar um, bevor ich ihn ausgab.) Sie nannte mir auch eine Einkaufsmall namens Chinook, die nur eine Viertelstunde von meiner

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