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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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Sie sich nicht haben vorführen lassen. Michaels ist einer von den Burschen, die immer bekommen, was sie wollen, weil er ganz genau weiß, wie man andere einschüchtert. Sie haben ihn vorgeführt, und dazu gratuliere ich Ihnen. Trotzdem haben wir jetzt ein Problem. Michaels ist nicht nur Kapitän der Hockeymannschaft, sondern an ihm hängt auch die gesamte Verteidigung, meint der Trainer. Am kommenden Wochenende steht ein wichtiges Spiel gegen die University of Massachusetts an. Wenn die Uni keine andere Wahl hat, als die zweite Meldung zu akzeptieren, wird er tatsächlich für den Rest des Semesters suspendiert. Und wenn die New England State deshalb verliert …«
    »Bin ich der Buhmann.«
    »Ganz genau – was sich wiederum negativ auf die gesamte Anglistik-Fakultät auswirkt. Aus Sicht der äußerst sportbegeisterten Universitätsleitung haben wir dann der Universität ein wichtiges Spiel versaut und sie damit auch um die Möglichkeit gebracht, irgend so eine beschissene Trophäe abzuräumen, die mich null interessiert. Aber genau das könnte man uns spüren lassen, wenn wir darum bitten, dass uns unser derzeitiges Budget auch nächstes Jahr zur Verfügung steht.«
    »Sie wollen also, dass ich die Meldung zurückziehe.«
    »Nicht ich will das, sondern die Studentenvertretung, der Sportdirektor, der Spendendirektor und der Universitätspräsident. Ich möchte nur nicht, dass sich die Sache negativ auf meine beziehungsweise unsere Fakultät auswirkt.«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    »Dann tun Sie mir keinen großen Gefallen. Und haben auch nicht gerade die besten Startbedingungen. Ich kann Ihre Entscheidung nicht beeinflussen, möchte Ihnen aber sagen, dass ich es persönlich besser fände, wenn Sie den Idioten noch einmal davonkommen lassen.«
    »Ich verlange eine Entschuldigung von Michaels«, sagte ich. »Und zwar eine schriftliche.«
    »Das lässt sich bestimmt einrichten.«
    »Außerdem muss er versprechen, dass er es nicht noch mal versucht.«
    »Auch das dürfte kein Problem sein. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Jane. Das erspart mir einiges an Kopfzerbrechen.«
    Die Entschuldigung kam am nächsten Morgen – ein hastig hingekritzelter Brief, der auf eine halbe, aus einem Block herausgerissene Seite geschrieben war und eindeutig verriet, dass Michaels nicht die geringste Lust hatte, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Seine Schrift war bewusst unleserlich, trotzdem konnte ich sie entziffern:
    Sehr geehrte Frau Dr. Howard,
    ich entschuldige mich für mein unverschämtes Benehmen im gestrigen Seminar.
    Es wird nicht wieder vorkommen, okay?
    Gefolgt von seiner Unterschrift. Ich wollte zu Professor Sanders gehen, ihm den Brief auf den Tisch knallen und ihm zeigen, was dabei herauskommt, wenn man solche Rüpel davonkommen lässt. Aber ich beschloss, dass es besser wäre, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen.
    In meinem Seminar über die amerikanische Moderne am nächsten Tag lief alles glatt. Wir nahmen Stevens’ Notes Toward a Supreme Fiction auseinander.
    Die Studenten in diesem Seminar waren relativ interessiert und stellten vernünftige Fragen. Aber es gab eine Studentin, die eindeutig einen höheren IQ besaß als der Durchschnitt. Sie hatte während meines ersten Kurses geschwiegen, aber als ich am Ende meiner Ausführungen um Fragen bat, hob sie vorsichtig die Hand und fragte mit zittriger Stimme: »Glauben Sie, dass Stevens’ konservativer Beruf zu so einer experimentellen Sprache beigetragen hat?«
    Wow, eine Studentin, die denken kann!
    »Das ist eine hervorragende Frage, Miss …«
    »Quasthoff. Lorrie Quasthoff.«
    Während sie das sagte, starrte sie vor sich auf den Boden.
    »Nun, Lorrie, warum sagen Sie mir und den anderen nicht, was Sie davon halten.«
    »Lieber nicht«, erwiderte sie.
    »Ich weiß, dass ich Ihnen den Ball damit zurückspiele, aber dafür werde ich gewissermaßen bezahlt. So, wie Stevens dafür bezahlt wurde …«
    Lorrie Quasthoff starrte weiterhin auf den Boden und sah mich dann entsetzt an, als sie begriff, dass ich eine Antwort von ihr erwartete. Ich nickte ihr, wie ich hoffte, ermutigend genug zu, und sie sagte schließlich: »Versicherungsvertreter. Wallace Stevens verkaufte Versicherungen. Eigentlich verkaufte er sie nicht selbst. Er war Manager eines großen Versicherungskonzerns in Hartford, Connecticut – und er hielt seine Gedichte ziemlich geheim. Als er für Notes Toward a Supreme Fiction den Pulitzer-Preis bekam, waren seine Versicherungskollegen

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