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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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wurde so heftig, dass ich ihr die Hand auf die Schulter legen musste
    »Lorrie, ich verspreche Ihnen, dass sie Ihnen nicht zur Last fallen werden, wenn Sie genau tun, was ich Ihnen sage.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann wird die Welt auch nicht untergehen. Aber die Hänseleien werden wahrscheinlich nicht aufhören. Wenn es nach mir geht allerdings schon, das verspreche ich Ihnen.«
    »Man wird ihn suspendieren?«
    »Und nicht nur das – wenn ich mich durchsetzen kann.«
    »Soll ich etwas schreiben?«
    »Sie sind mir voraus.«
    »So wie Dostojewski Dreiser voraus war.«
    Ich ging zurück in mein Büro und schrieb meine Meldung. Lorrie hielt Wort – ich hatte ihr gesagt, ich bräuchte ihren Text innerhalb der nächsten Stunde. Sie schob ihre Aussage unter meiner Tür durch und war sofort darauf verschwunden. Ich steckte den Kopf aus meinem Büro, aber bevor ich ihren Namen rufen konnte, war sie schon um die Ecke verschwunden.
    Ich griff nach dem Papier. Lorrie hatte sämtliche Hänseleien und Einschüchterungsversuche detailliert aufgelistet, mit denen Michaels und Konsorten sie im letzten und in diesem Semester gequält hatten. Sofort korrigierte ich den letzten Absatz meines Berichts, in dem stand:
    Aus Lorrie Quasthoffs schriftlicher Aussage geht eindeutig hervor, dass die junge Frau über einen längeren Zeitraum systematisch von ihrem Studienkollegen, dem Spitzensportler Michaels, eingeschüchtert wurde. Die Tatsache, dass Mr Michaels mit seinem Verhalten gegenüber einer hochbegabten Studentin, die zufällig Autistin ist, bisher ungestraft davonkam, könnte von einer breiten Öffentlichkeit so verstanden werden, dass es der Universität mehr auf sportliche Erfolge ankommt als darauf, die Rechte und die Würde einer Studentin zu schützen, die ihre angeborene Behinderung derart bemerkenswert meistert. Ich bin mir sicher, dass sich die Universität solche Vorwürfe nicht gefallen lassen will, und auch, dass dies sämtlichen Universitätsrichtlinien zuwiderliefe.
    Ich wusste, dass ich mit den letzten Zeilen voll ins Schwarze treffen würde, da sie nahelegten, dieser Vorfall könnte sich zu einem Medienskandal auswachsen, der sie teuer zu stehen käme. Ich las meine Meldung noch einmal durch, unterschrieb sie und bat dann Professor Sanders zu mir, um ihn zu informieren.
    » Merde «, lautete seine erste Reaktion, gefolgt von: »Wenn das, was Sie da formuliert haben, nicht anfechtbar ist …«
    »Es ist nicht anfechtbar.«
    »Das werden andere beurteilen, da diese Angelegenheit auf dem Schreibtisch von Ted Stevens landen wird.« Das war der Präsident der Universität. »Wenn mich nicht alles täuscht, wird er die Sache innerhalb von vierundzwanzig Stunden geregelt haben. Ich wage zu bezweifeln, dass man sich auf Michaels’ Seite schlagen wird, weil niemand will, dass Reporter vom Boston Globe oder von der New York Times auf dem Campus herumschnüffeln. Sie sollten allerdings auch wissen, dass Sie hier nach diesem Vorfall eine persona non grata sein werden. Die Verwaltung wird sich nach außen hin hinter Sie stellen, Sie aber insgeheim verachten, weil Sie der Uni einen enormen Schaden zugefügt haben. Hockey ist eine wichtige Sportart hier.«
    Und der Universitätspräsident Ted Stevens war ein großer Hockeyfan. Das sagte er mir selbst, als er mich am nächsten Tag in sein Büro bat, um die Angelegenheit zu »besprechen«. Er war Mitte fünfzig, superdurchtrainiert, trug einen konservativen Anzug samt passender Krawatte. An der Wand neben seinem Schreibtisch hingen Fotos von ihm selbst und George Bush senior. Er hatte große Ähnlichkeit mit einem Wirtschaftsboss und war (wie mir ein Blick in sein Regal zeigte), ein glühender Anhänger angewandter Management-Prinzipien. Ebenfalls anwesend waren die Studentenvertreterin Alma Carew (eine Afroamerikanerin von Ende dreißig, herb und drahtig), der Leiter der sportwissenschaftlichen Fakultät, Budd Hollander (klein, untersetzt, in einem schlecht sitzenden braunen Blazer und einem karierten Hemd) und Professor Sanders.
    »Nun, laut Mr Michaels hochkarätigem und hoch dotiertem Anwalt«, so Ted Stevens, »haben Sie ihn dazu ermuntert, Miss Quasthoff nachzuäffen.«
    »Bei allem Respekt, Sir, das ist doch Unsinn.«
    »Bei allem Respekt, Miss Howard – mehrere andere Seminarteilnehmer haben genau das bestätigt.«
    »Gehören sie zufällig zu Michaels’ kleiner Clique?«, fragte ich.
    Diese Frage gefiel Ted Stevens ganz und gar nicht.
    »Nicht alle«, sagte er.
    »Nun,

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