Aus Eifersucht kann Liebe werden: Die Heilung eines ungeliebten Gefühls
sehr schwankendes Selbstwertgefühl hat. Oft bekam er in der Kindheit wenig Liebe, wenig Aufmerksamkeit, aber es wurde viel von ihm erwartet. Dann steht er im Leben immer unter dem Druck, den Erwartungen anderer zu entsprechen. Das Leben solcher Menschen spielt sich so ab, als würden sie auf einem Seil tanzen und ständig die Bewunderung der Zuschauer entgegennehmen. So sind narzisstische Männer vor allem auf die Anerkennung und Bewunderung von Frauen angewiesen. Während andere Männer täglich ihre Herztropfen nehmen, müssen sie regelmäßig eine Frau verführen, um damit ihr Selbstbewusstsein zu stabilisieren. Ich habe sie rumgekriegt, ich bin ein toller Kerl – das ist die Motivation solcher Seitensprünge.
Doch es gibt auch Seitensprünge, die aus einer Angst vor Nähe entstehen. Dann gehe ich fremd, um das Gefühl der Autonomie wieder zu erleben. Das ist besonders tragisch. Oftmals sind es Beziehungen, in denen eine warmherzige Frau mit einem distanzierten Mann vom Typ »einsamer Wolf« zusammen ist. Und sobald sie innerlich jubelt: »jetzt habe ich ihn« – geht er fremd. Er fühlte sich schon als Kind eingeengt und bedrängt. Und die Nähewünsche seiner Partnerin empfindet er so, als würde man eine Schlinge um seinen Hals legen. Doch wenn er fremdgegangen ist, fühlt er sich wieder freier und kann sich erneut auf die Beziehung einlassen. Auch hier liegt das Problem nicht in der schwierigen Liebesbeziehung, sondern in der Persönlichkeit des Partners. Und eines müssen Sie wissen: Sie können die Persönlichkeit eines Partners kaum ändern. Die Neigung zur Untreue ist sehr mit inneren Prozessen, sehr mit der eigenen Kindheit verbunden. Mit Lust und Leidenschaft hat das wenig zu tun. Es ist eine Überlebensstrategie. Und mit der Partnerschaft hat dies auch nichts zu tun, aber die Ehefrau ist natürlich sehr gekränkt.
Nun mag es für Sie entlastend sein, wenn Sie wissen, dass Sie bei einem narzisstischen Seitensprung bzw. der Angst vor Nähe nicht »schuld« sind. Die Problematik liegt eben nicht in der Ehe, sondern ist in der Persönlichkeit Ihres Mannes begründet. Doch wie gehen Sie dann vor? Was machen Sie beispielsweise, wenn Sie schon zwanzig Jahre verheiratet und bereits etwas älter sind? Eine 65-jährige Dame rief mich vor einem Jahr an und sagte mir, sie lebe mit einem Künstler zusammen. Sie habe nach 20 Ehejahren (!) erkannt, dass er gelegentlich fremdgehen würde. Sie war sehr wütend, sprach ihn darauf an, woraufhin er dann meinte, dies habe nichts mit ihr zu tun. Er brauche dies für sein Ego. Tatsächlich war es so, dass sie nie etwas in der Beziehung vermisste, sie hatte sich immer wohlgefühlt. Sie las mein Treue-Buch und beschloss, mit der Eifersucht umzugehen. Sie wollte die Ehe nicht aufs Spiel setzen. Und sie hat gute Chancen, dass ihr Mann doch noch treu wird. Ältere Männer entdecken oft die »senileTreue«, wie ich das manchmal spöttisch nenne. Wenn sie kränker werden, überlagert schließlich der Wunsch nach einer zuverlässigen Betreuung die Neigung zum Seitensprung. Dann wird die Frage immer wichtiger: Wer pflegt mich, wenn ich krank bin? Man wird ernsthafter, lässt sich mehr auf die Beziehung ein und entdeckt dann oft den Wert der Treue.
Er muss eine Therapie machen
Natürlich können Sie den Partner auch auffordern, eine Therapie zu machen. Wenn Sie mit einem verständnisvollen Mann zusammenleben, wird dieser vielleicht sogar zustimmen. Vielleicht spürt er selbst, dass seine Seitensprünge mehr eine Jagd, weniger ein Vergnügen sind. Vielleicht will er die Ehe wirklich nicht aufs Spiel setzen. Doch es ist immer schwierig, einen untreuen Mann zu einer Therapie zu drängen. Denn solche Veränderungen passieren oft erst dann, wenn Sie notfalls bereit sind, sich zu trennen. Erst dann bekommen Ihre Aussagen die notwendige Ernsthaftigkeit. So erlebte ich es bei einem Mann, der sich bei mir zur Therapie anmeldete, um seine Untreueneigung zu überwinden. Seine Frau habe ihm gesagt, entweder würde sie sich trennen oder sich umbringen, sie halte diesen Zustand nicht mehr aus. Jedenfalls nahm er diese Warnung ernst. Mir fiel auf, dass dieser Mann nur ein Lebensinteresse hatte: Frauen zu verführen. Kam eine hübsche Frau in den Raum, war er innerlich wie auf Sendung. Alle seelischen Programme liefen hoch, alle Antennen lieferten die notwendigen Informationen, um sein Ziel zu erreichen: sie zu verführen. Es gab kein anderes Lebensinteresse, das er genauso leidenschaftlich
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