Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
Vergleich zu diesen Sandalen wirkten meine Stöckelschuhe moderat und fast schon leger. Mrs. Sands, von ihren Freundinnen (aber nicht von mir) Marnie genannt, grüßte mich mit der Würde eines Herrschers, der auf einen anderen, geringfügig über ihm stehenden Potentaten trifft. Ich mochte die Frau des Sultans sein, sagte dieser Gruß, aber sie war der Großwesir, und sie hielt die eigentliche Macht in ihren Händen.
Damit hatte sie in vielerlei Hinsicht recht. Es machte mir auch nichts aus, ihr das zuzugestehen. Martin fand sie die perfekte Sekretärin. Sie wusste genau einzuschätzen, wann sie Mitarbeiter zu ihm vorlassen musste und wann er lieber ungestört bleiben wollte. Sie wusste auch immer, einfach immer, wo er gerade zu finden war.
„Meine Liebe “ , begrüßte sie mich, „wir müssen uns unterhalten.“ Sie warf einen wachsamen Blick in die Runde. Im Moment standen wir ein wenig abseits der Masse. Interessiert und ein wenig überrascht sah ich zu ihr hoch. Normalerweise tauschten wir nur Smalltalk und ein paar Komplimente aus.
„Schießen Sie los!“, sagte ich.
„Mr. Bartell ist ein Mann, der mit jeder Situation fertig wird, das möchte ich vorausschicken. Unter anderem deswegen arbeite ich so gerne für ihn. Aber Sie sind seine Frau, und es braut sich etwas zusammen, wovon Sie meiner Meinung nach wissen sollten.“
Mrs. Sands legte den Kopf schräg, und ihr hochtoupiertes schwarzes Haar neigte sich ein wenig zur Seite, wie ein Helm, der zu locker saß. Ihr Gesicht war stark gebräunt, die Falten um die dunkelbraunen Augen sahen aus wie mit dem Meißel gehämmert.
„Dann sagen Sie es mir!“ Ich lächelte sie einladend an.
„Sie kennen Bettina Anderson?“
„Ja. Martin und ich waren einmal bei Bettina und Bill zum Essen eingeladen. Oh, und in letzter Zeit waren ein paar Mal Nachrichten von ihr auf unserem Anrufbeantworter. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, sie zurückzurufen.“ Letzteres fügte ich ein wenig schuldbewusst hinzu. Das Abendessen bei den Andersons war das erste gewesen, an dem Martin und ich als verheiratetes Paar teilgenommen hatten. Es hatte mir klargemacht, dass meine Zukunft eine Menge solcher unwillkommener, aber nötiger Verpflichtungen beinhalten würde.
Bill Anderson, der Sicherheitsmanager des Betriebs, war von Martin auf Wunsch seiner Vorgesetzten eingestellt worden. Die Andersons stammten nicht von hier, sie lebten erst seit ungefähr drei Jahren in Lawrenceton. Bettina war eine kräftig gebaute Frau mit kupferroten Haaren, die ungefähr vierzig Jahre alt sein mochte. Sie war die bescheidenste Ehefrau, die ich je kennengelernt hatte.
„Ich glaube, ich habe während der letzten paar Monate keinen der beiden Andersons zu Gesicht bekommen“, fügte ich etwas lahm hinzu, da Mrs. Sands offenbar erwartete, dass ich noch etwas zu dem Thema von mir gab.
„Na ja, ich glaube, sie hat ein Auge auf Mr. Bartell geworfen. Sie hat Sie angerufen? Was sagt man denn dazu? Ich kann es kaum fassen!“
Mir blieb die Spucke weg.
„Wir reden hier von Bettina Anderson, der Frau von Bill Anderson, der die Sicherheitsabteilung leitet?“ Ich traute meinen Ohren kaum.
„Richtig! Ich kann es ja selbst kaum glauben!“ Mrs. Sands nickte energisch.
Ich musterte verlegen meine Schuhe, cremefarbenes Leder mit einer goldenen Kappe über den Zehen. Um nicht laut loszuprusten, biss ich mir kräftig auf die Unterlippe.
„Normalerweise kümmert sich Mr. Bartell selbst um solche Situationen, er braucht da sicherlich keine Hilfe“, fuhr die kompetente Mrs. Sands fort, woraufhin mir schlagartig das Kichern verging. Um wie viele Situationen dieser Art hatte sich Martin wohl schon ohne mein Wissen ‚gekümmert ‘ ? Andererseits verkündete man ja auch nicht mal eben so beim Abendessen, dass man wieder einmal erfolgreich eine Verehrerin abgewimmelt hatte, oder?
„Aber diesmal führt sich die Frau zu seltsam auf.“ Mrs. Sands ließ nicht locker. „Mr. Anderson übrigens auch.“ Die Gute war sichtlich angewidert. ‚Seltsam ‘ war eins der stärksten Worte, die sie je in den Mund nahm, und sie benutzte es sicher nicht leichtfertig.
„Wie seltsam denn?“, erkundigte ich mich, den Blick fest auf meine Schuhe gerichtet. So peinlich diese Unterhaltung sein mochte, faszinierend war sie irgendwie auch.
„Bill taucht andauernd bei Mr. Bartell auf, auch wenn er ihn eigentlich gar nicht zu sehen bräuchte.“ Für Mrs. Sands war Martin der einzige ‚Mister ‘ in der Firma, alle
Weitere Kostenlose Bücher