Aus Licht gewoben
wir haben viel zu tun.«
Zuerst machte Beatrice meine Haare nass. Ich versuchte, ihr zu sagen, dass jegliche Bemühungen, meine Haare zu bändigen, vergeblich sein würden, aber während ich noch protestierte, begann sie zu summen. Ich ertrug es still, verlor dabei aber jegliches Zeitgefühl. Die alte Frau kämmte und bürstete meine Haare, bis sie vollkommen glatt waren. Vorsichtig berührte ich meinen Kopf und fragte mich, wie sie dieses Wunder wohl vollbracht hatte.
»Ihr habt wunderschönes Haar«, sagte Beatrice. »In Auster gibt es diese Farbe kein zweites Mal. Das Buch hat viele Zeichen genannt, und eines davon war Eure Haarfarbe. ›Flechten so rot wie lodernde Flammen‹ hieß es.«
Ich hätte am liebsten laut geschrien.
Nun steckte sie die eine Hälfte der Haare mit goldenen
Klammern und Blumen hoch, der Rest fiel mir lose, und viel länger als in meiner Erinnerung, über die Schultern. Zum Schluss setzte mir Beatrice noch ein goldenes Diadem mit einem roten Schleier auf, der meinen Rücken hinunter bis auf den Boden fiel.
Neben meinem Bett stand zwar ein Spiegel, aber ich konnte mich nicht überwinden hineinzusehen.
»Ihr seid es wirklich«, sagte Beatrice. »Ich danke Euch, Große Herrin. Euch zu Diensten zu sein war mir die höchste Ehre.«
»Nein«, wehrte ich ab. »Bitte danken Sie mir nicht.«
Sie beugte den Kopf und hielt mir ihren Arm hin. »Der König hat seine demütige und gehorsame Dienerin beauftragt, Euch in die große Halle zu geleiten.«
Ich atmete tief durch und schloss die Augen. Ich war keine Göttin, aber um meines und des Lebens aller willen, die ich in Palmarta zurückgelassen hatte, würde ich zumindest vorgeben, eine zu sein. Und vielleicht … ja, vielleicht konnte ich diese schreckliche Situation zu meinem Vorteil nutzen. Dorwan hielt sich für unglaublich klug, aber er hatte vergessen, mich in seinem Plan zu berücksichtigen.
»Was wird mit mir passieren?«, flüsterte ich.
»Ihr werdet gefeiert und geliebt werden«, antwortete Beatrice, ohne zu bemerken, dass ich gar nicht mit ihr gesprochen hatte.
Beatrice führte mich an den Bediensteten und Bürgern vorbei, die die Gänge zur großen Halle säumten. Wir gingen durch makellose Korridore, jeder Stein war ordentlich angeordnet, und die Marmorböden glänzten im Licht der Sonne. Draußen erhoben sich, so weit das Auge reichte, gewaltige Berge
um den Palast und verdeckten das Blau des Serpentinenkanals vollkommen. Die letzte Brücke auf den Palastanlagen schien zwischen zwei Berge gebaut zu sein. Sie erhob sich hoch in die Luft, dem Himmel entgegen. Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, die Brücke würde uns über die Wolken tragen.
Das Gebäude selbst war voller Licht, verblüffend und neu, verglichen mit den dunklen Palastsälen in Provincia. Stumm knieten die Männer und Frauen nieder, als ich vorbeischritt. Weil ich die Konsequenzen meiner unkontrollierten Gefühle kannte, zwang ich mich, keine Angst zu haben. Wenn ich nur ruhig bleiben konnte, würde ich schon alles durchstehen. In der vergangenen Nacht hatte ich davon geträumt, den Palast und die ganze Stadt in einem Ausbruch von Raserei zu zerstören, aber jetzt, nachdem die Menschen dieses Landes ein Gesicht für mich bekommen hatten, entsetzte mich diese Vorstellung.
Die Tore der Halle öffneten sich und tauchten die roten und goldenen Banner, die von der Decke hingen, in helles Licht. Zwischen ihnen befanden sich fremdartige Flaggen, jede mit einer goldenen Schlange geschmückt.
Darunter, ängstlich am Rand des langen blutroten Teppichs aufgereiht, standen noch mehr Austerianer. Als Beatrice und ich durch die große Tür traten, verstummten sie ehrfürchtig. Sogar der König und die Königin erhoben sich und kamen uns auf dem langen Gang entgegen. Beatrice ließ meinen Arm los und entfernte sich.
»Nein«, flüsterte ich und streckte die Hand nach ihr aus, aber sie schüttelte nur den Kopf und lächelte.
»Große Herrin«, sagte der König und kniete, die Königin an seiner Seite, vor mir nieder. »Eure Diener heißen Euch willkommen. « Er war zwar um einiges größer als seine Frau, in
meinem verschwommenen Traumzustand war er mir jedoch geradezu riesig vorgekommen. Die Königin war hellhäutig und trug ihre Krone auf einem Kopf voller nachtschwarzer Locken.
»Hat Beatrice Euch gut behandelt, Große Herrin?«, fragte der König und erhob sich wieder. »Wir haben Euch ausruhen lassen, in der Hoffnung, Euren Zorn zu besänftigen.«
»Sie
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