Aus Licht gewoben
von gestern Abend?«, erwiderte ich. Der blaue Umhang fühlte sich eiskalt an in meiner Hand. »Du kanntest ihn doch. Nicht Genet, den anderen.«
North rieb sich den Nacken. »Sein Name ist Reuel Dorwan. Er folgt mir schon seit einer ganzen Weile. Wenn ich ihn früher bemerkt hätte, hätte ich versucht, das Ganze ein für alle Mal zu beenden.«
Zum ersten Mal seit vielen Jahren stach ich mich wieder an einer Nadel.
»Du willst ihn töten?«, fragte ich langsam.
North wandte den Blick ab und nahm mir den blauen Umhang aus den Händen.
»Du kannst das nicht verstehen«, erwiderte er.
»Natürlich nicht«, sagte ich leise. »Ich bin ja nur ein dummes kleines Mädchen, das überhaupt nichts versteht.«
North schnaubte. »Es gibt nicht viel über ihn zu sagen, außer, dass er der widerwärtigste Dreckskerl ist, den die Welt je gesehen hat. Sein kleines Kunststück war Schwarze Magie. Solche Magie ist in der Zauberergemeinschaft verboten. Nicht, dass ihn das stören würde. Das hat es noch nie.«
»Dieses Kunststück, hast du dich deshalb gestern so komisch benommen?«, fragte ich. »Ich habe alles versucht,
um dich wieder zu wecken, aber du hast geschlafen wie ein Stein.«
Ohne mich anzusehen, schüttelte North den Kopf und wandte sich um. Ich sog vor Ärger scharf die Luft ein. Er wäre einfach gegangen, wenn meine Stimme ihn nicht aufgehalten hätte.
»Ich hoffe, dir ist klar, dass etwas zwischen uns steht, solange du mir nicht sagst warum du mich mitgenommen hast«, sagte ich frustriert. »Du vertraust mir nicht und erwartest von mir, dass ich mich einfach damit abfinde, wie du aus dem Nichts einen Windstoß erschaffst und die bebende Erde beruhigst. Und trotzdem bist du überrascht, dass ich deine verdammten Umhänge ausbessern kann!«
»Das liegt daran, dass die meisten Menschen es nicht könnten«, unterbrach er mich und sah mich an. »Was soll ich sagen, Syd? Um einen Talisman zu reparieren, ohne dass er seine Fähigkeiten verliert, muss ein Mensch selbst einen Hauch von Magie in sich haben. Das war der Grund für meine Überraschung. «
In einem Wirbel aus Farben legte er sich die übrigen Umhänge wieder um.
»Willst du damit sagen, dass ich magische Fähigkeiten habe?«, fragte ich vorsichtig.
»Magie wird von Generation zu Generation weitervererbt«, antwortete er. »Vielleicht hattest du einmal einen Zauberer in deiner Familie, aber das war vor sehr langer Zeit. Die Kraft in dir ist schwach und nutzlos.«
»Nicht völlig nutzlos«, gab ich zurück und sah ihn scharf an.
»Nein«, gab North mit einem kleinen Lächeln zu, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, eine Antwort auf eine der tausend Fragen zu bekommen, die mir durch den Kopf gingen.
Ich beugte mich vor, um meinen Webrahmen einzupacken.
»Bist du sicher, dass du letzte Nacht wirklich nichts gesehen hast?«, fragte North nach einer Weile. »Es sieht ihm gar nicht ähnlich, einfach aufzugeben.«
»Ich dachte, da wäre etwas, aber es war nur ein Käfer«, sagte ich und sah, wie sein Gesicht einen merkwürdigen Ausdruck annahm.
»Ein Käfer?«, wiederholte er.
»Nun ja, er war ziemlich groß«, verteidigte ich mich. »Fast so groß wie ein kleines Waldtier.«
»Und violett?«
Ich schoss herum. »Woher weißt du das?«
»Bitte sag, dass du ihn getötet hast. Sag, dass du deinen Stiefel genommen und ihn erschlagen hast«, sagte North und rieb sich mit der Hand über das Gesicht. Er wartete meine Antwort gar nicht ab, schien schon zu wissen, was ich sagen würde. Auf einmal war er sehr schnell, warf seinen Beutel über die Schulter und suchte die weite Landschaft mit den Augen ab.
»Bleib stehen!«, verlangte ich. »Sag mir, was los ist.«
»Das war ein Wanderkäfer«, sagte er grimmig. »Zeit zu gehen, Syd.«
Er wollte meinen Arm nehmen, aber ich wich ihm aus.
North seufzte resigniert. Er wusste, was ich wollte. »Das sind Käfer, die Magie spüren können. Sie sind dazu ausgebildet, Zauberer zu verfolgen, meistens für die Zauberergarde, aber in diesem Fall für unseren lieben Freund. Und das heißt unglücklicherweise, dass er mittlerweile vermutlich weiß, wo wir sind.«
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Beim nächsten Mal werde ich diesen Fehler nicht mehr machen.«
North lachte freudlos.
»Es wird kein nächstes Mal geben, denn es gibt viele Wege, einen Zauberer aufzuspüren. Er wird nicht zweimal denselben wählen.« Dann bedeutete er mir, ihm zu folgen. »Wir müssen hier weg. Er ist uns sicher schon auf der
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