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Aus Licht gewoben

Aus Licht gewoben

Titel: Aus Licht gewoben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Bracken
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Kettenhemd fühlte sich kalt an, aber seine Arme waren warm und einladend, auch wenn er nach nassem Pferd roch.
    »Wir haben dich überall gesucht!«, rief er. »Sind vor Sorge fast verrückt geworden und haben die halbe Stadt abgesucht! Ich dachte schon, unser Junge bricht mir in Tränen aus.«
    »Willst du damit andeuten, dass er nüchtern genug war, um sich Sorgen zu machen?«, murmelte ich. Owains große Hand strich über meine Haare.
    »Wie kannst du so etwas fragen?«, sagte er mit ungewohnt sanfter Stimme. »Der arme Kerl hat sicher schon die halbe Stadt auf den Kopf gestellt.«
    »Und von wem ist hier die Rede?« Mr. Colar klang misstrauisch.
    »Danke, dass Sie auf sie aufgepasst haben«, sagte Owain. »Ich glaube, wir gehen jetzt besser. Bei diesem Regen lasse ich Vesta nicht gern alleine draußen.«
    Als ich ihm das Buch zurückgeben wollte, schüttelte Mr. Colar den Kopf. »Bitte, ich bestehe darauf. Es klingt, als würden Sie es noch brauchen.«
    »Aber ich kann doch nicht …«, protestierte ich.
    Der alte Mann lächelte nur.
    Er sah meinem Vater doch nicht besonders ähnlich, entschied ich.
    Draußen war der Sturm in einen leichten Sprühregen übergegangen, wie ich ihn seit dem Tag meiner Abreise von zu
Hause nicht gespürt hatte. Ich streckte die Hand aus, um ein paar vereinzelte Regentropfen aufzufangen. Die Straßen waren zu weißen Flüssen geworden, aber bei genauerem Hinsehen bemerkte ich den dunklen Schmutz der Stadt, den sie mit in die Abflussgräben spülten.
    »Sieht aus, als ließe der Regen nach, Kleines«, bemerkte Owain und blickte hinauf zu den ersten Sternen, die verstohlen am samtschwarzen Himmel erschienen waren.
    Ich musste lächeln.
     

     
    Mrs. Pemberly empfing uns an der Tür und war entsetzt über den Zustand meines Kleides und meiner Haare.
    »Ich hab sie gefunden!«, verkündete Owain.
    »Oh, meine Liebe!« Mrs. Pemberly zog mich näher an den Kamin. »Kann ich Ihnen etwas bringen? Heißen Cider? Tee? Haben Sie Hunger? Ich habe gerade einen Apfelkuchen aus dem Ofen geholt.«
    »Etwas mehr Wasser vielleicht«, gab ich scherzhaft zurück. Owain grinste. Ich sah mich um und stellte zu meiner Überraschung fest, dass sonst niemand im Raum war.
    »Er ist oben«, erklärte Mrs. Pemberly. »Er ist kurz vor euch zurückgekommen, und ich habe ihn hochgeschickt, damit er sich etwas Trockenes anzieht.«
    Ich glaubte zwar nicht, dass North in naher Zukunft das Bedürfnis verspüren würde, mich zu sehen, machte mich aber trotzdem auf den Weg nach oben. Das Buch an mich gepresst, sah ich verstohlen durch den Türspalt in Owains Zimmer. North saß mit dem Rücken zu mir auf dem Bett. Er trug noch immer seine durchnässten Umhänge, und das nasse Haar klebte ihm am Kopf.
    Die Tür quietschte, als ich sie öffnete, aber North drehte
sich nicht um. Ich legte das Buch auf dem Tisch ab und ging zu ihm hinüber. Sein Blick hing an meinem verlassenen Webrahmen und glitt über die gleichmäßigen Reihen aus verschiedenen Blautönen, während seine Hände selbstvergessen mit einem roten Apfel spielten. Ich setzte mich neben ihn und zwang mich, ganz ruhig dazusitzen.
    Er deutete mit einem Nicken auf seine alte graue Decke, die vor uns auf dem Boden lag, doch ich sah nicht hin. Mit ruhigen Händen hielt North mir den glänzenden Apfel hin, und nach kurzem Zögern nahm ich ihn. Aber nur weil ich Hunger hatte.
    Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass North mich nicht aus den Augen ließ, aber wenn ich ihn ansah, blickte er schnell zur Decke. Trotzdem fühlte ich mich zum ersten Mal so, als würde er mich wirklich sehen. Es war ihm bewusst, was seine Worte angerichtet hatten und dass ich gehen würde, wenn er mir zu sehr zusetzte. Und ich glaubte, Reue in seinen dunklen Augen zu entdecken. Doch vor allem sah ich eine unglaubliche Traurigkeit. Mir wurde klar, dass ich ihn ebenfalls verletzt hatte.
    Letzten Endes waren keine Entschuldigungen nötig. Wir verstanden uns auch ohne Worte.

Fünftes Kapitel
    A m nächsten Tag waren wir immer noch bei Mrs. Pemberly und stritten darüber, wie es nun weitergehen sollte.
    »Es ist viel sinnvoller, die Straße nach Andover zu nehmen und dann durch das Flachland nach Scottsby zu wandern«, sagte ich zum sicher hundertsten Mal. Diesen Weg nahm Henry immer, und seinem Orientierungssinn vertraute ich ganz sicher mehr als Norths. Doch trotz der Landkarte direkt vor ihnen wollten die Männer einfach nicht auf mich hören. So langsam hatte ich das Gefühl, ich würde

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