Aus Licht gewoben
unterhielten sich miteinander und sahen immer wieder zu uns zurück, wenn sie glaubten, wir würden es nicht bemerken. Als die Nacht hereinbrach und
es kühler wurde, unterhielten sie sich weniger angeregt, doch ich konnte immer noch hören, wie sie über uns flüsterten. Fast wünschte ich mir, wir würden wieder laufen. Zum einen, um von ihnen wegzukommen, zum anderen, um meine kalten, steifen Glieder aufzuwärmen.
»Ich habe nachgedacht«, flüsterte North. Blinzelnd rieb ich mir die müden Augen. »Wenn wir in Provincia ankommen, suchen wir dir ein schönes Zimmer, wo du bleiben kannst, während ich mich um alles Weitere kümmere.«
»Das ist doch nicht nötig«, sagte ich und setzte mich auf. »Ich will bei dir bleiben. Für mich ist die Sache genauso wichtig wie für dich.«
»Ich merke doch auch, dass du unglücklich bist«, sagte er. »Bitte, ich möchte doch nur irgendetwas Nettes für dich tun.«
»Du hast vor ein paar Nächten etwas sehr Nettes für mich getan«, sagte ich eindringlich. Die beiden Jungen kicherten.
»Benehmt euch nicht wie die Kleinkinder!«, rief ich. Sie beachteten mich gar nicht.
North war in lautes Gelächter ausgebrochen und hatte mir den Arm um die Schultern gelegt.
»Ruh dich aus«, sagte er und wickelte meine Locken um seine Finger. »Morgen haben wir einen langen Tag vor uns.«
»Ich bin nicht müde«, gab ich trotzig zurück und versuchte seinen Arm abzuschütteln.
»Also ich schon!«, verkündete er und zog ihn weg. Bevor ich auch nur noch ein Wort sagen konnte, hatte er seinen Kopf in meinen Schoß gelegt und die Augen fest geschlossen. Ich fragte mich, ob er es wohl auf eine Ohrfeige anlegte.
Meine Hand ruhte auf seiner Stirn, und alle Sorgenfalten und die ganze Anspannung verschwanden aus seinem Gesicht. Er fühlte sich warm an, wie immer.
»Singst du ihm jetzt ein Schlaflied vor?«, wollte James wissen.
Norths Fuß schoss vor und verfehlte den Rücken des Jungen um Haaresbreite.
»He!«, knurrte North. »Ich will in Ruhe schlafen. Halt den Mund und fahr.«
Ich gab ihm einen Klaps auf die Stirn.
»Benimm dich anständig«, seufzte ich.
Er wälzte sich hin und her, als könne er keine bequeme Position finden. »Ich muss dich besser füttern, du bist schrecklich knochig.«
»Schlaf jetzt«, sagte ich warnend, »bevor du noch etwas Falsches sagst und ich dich vom Wagen werfe.«
Er nahm die Hand, die ich auf seine Stirn gelegt hatte, verschränkte seine Finger mit meinen und zog sie an seine Brust.
»Worüber hast du mit deinem Meister gestritten?«, flüsterte ich. »Du warst so aufgebracht.«
»Darüber«, sagte North, »ob irgendein Mann oder Zauberer das Recht hat, so egoistisch zu sein, sein eigenes Leben retten zu wollen.«
»Aber natürlich«, sagte ich. »Es ist doch nur menschlich, das eigene Leben retten zu wollen.«
Daraufhin versank North in so tiefen Schlaf, dass ich es nicht schaffte, ihn wieder zu wecken.
Also saß ich da, starrte in die dunkle Landschaft hinaus und versuchte, mir jedes ihrer Worte in Erinnerung zu rufen. Das einzig unbekannte Wort darin war Dschinx gewesen. North hatte es mit so viel Nachdruck hervorgestoßen, dass es meine Neugier geweckt hatte.
Vorsichtig griff ich nach meiner Tasche, holte das Zaubererhandbuch daraus hervor und schlug es ganz am Ende bei der Stichwortliste auf.
Dschinx , las ich. Ein Mann oder eine Frau mit der Fähigkeit, Magie auszustrahlen, statt sie nur zu bündeln. Das Phänomen kommt angeblich nur ungefähr einmal alle tausend Jahre vor. Dschinxe sind ausgesprochen gefährlich. Sie sind außer Stande, ihre Magie zu kontrollieren, was auf ihre Fähigkeit, Stürme heraufzubeschwören, nicht aber zu beherrschen, zurückgeführt wird. Diese stören das magische Gleichgewicht, das normalerweise auf der Welt herrscht.
Das Buch entglitt mir und fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden des Fuhrwerks. North regte sich. Ich war so erschüttert, es war fast, als hätte ich mir an dem Buch die Finger verbrannt.
»Alles in Ordnung?«, fragte Peter mit einem Blick über die Schulter.
Ich nickte. »Ja, mir geht es gut.«
Es dauerte eine Weile, bis ich in der Lage war, das abgenutzte Leder wieder zu berühren. Ich schob die Worte in eine dunkle Ecke meines Verstandes, aus der ich sie erst wieder hervorholen würde, wenn ich bereit war, mich ihnen zu stellen. Als ich das Buch wieder aufschlug, bemerkte ich, dass der Eintrag noch nicht ganz zu Ende war: In den Archiven der Hauptstadt gibt es allerdings
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