Aus Licht gewoben
Gesicht. Diese Dürre hatte Menschenleben gekostet. Meine Eltern, meine Großeltern, meine Freunde. Sie alle hatten gehungert und in der Angst gelebt, ihre Heimat verlassen zu müssen. Und warum? Weil ich mit diesem Fluch geboren worden war, weil ich eine absonderliche Laune der Natur war. Meine bloße Existenz hatte zu so viel Leid geführt.
Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Vornübergebeugt stützte ich mich gegen eine der Säulen.
»Wie habe ich das alles ausgelöst?«, fragte ich. »Wie konnten diese ganzen furchtbaren Dinge nur passieren?«
»Es ist … kompliziert«, sagte er. »Dich umgibt eine Art magisches Netz. Du strahlst Magie aus, statt sie nur zu bündeln und zu nutzen. Bevor ich eine Methode gefunden habe, sie einzudämmen, hat sie das magische Gleichgewicht auf der Welt gestört. Wenn du starke Gefühle wie Wut oder Trauer empfunden hast, hast du mehr Magie als sonst ausgestrahlt und damit einen Sturm oder ein Erdbeben ausgelöst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ist das der wahre Grund, warum in der Vergangenheit alle Dschinxe getötet worden sind? Sei ehrlich: Wenn es den Fluch nicht gegeben hätte und du mich nicht für ein Heilmittel gebraucht hättest, hättest du mich dann sofort getötet, als du gemerkt hast, was ich bin?«
»Syd, nein!«, rief er und nahm meine Hand. »Wie kannst du so etwas nur denken?«
»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich noch denken soll«, erwiderte ich. »Ich habe dir vertraut! Wenn du mir das alles sofort erzählt hättest, hätte ich gewusst, dass ich meine Gefühle unter Kontrolle halten muss. Aber du hast es mir verheimlicht, damit du mit meinem Blut herumexperimentieren konntest.«
Aus dem Augenwinkel sah ich bei einer der Säulen hinter uns eine Bewegung, ein Aufblitzen von Purpur. North musste es auch gesehen haben, denn er war lange genug abgelenkt, dass ich mich losreißen konnte.
»Ist da jemand?«, fragte North unfreundlich. Doch es antwortete ihm nur seine eigene Stimme, die von den Wänden widerhallte.
»Und das Armband?«, fragte ich. Jetzt, wo ich mich aus seinem Griff befreit hatte, fühlte ich mich wieder stärker. »Wozu ist es wirklich gut?«
North holte tief Luft. »Es unterdrückt deine Magie, damit andere Zauberer sie nicht wahrnehmen können.«
»Was kann es noch?«, fragte ich. Er wich meinem Blick aus.
»Ich habe es mit einem Zauber belegt, der dich an mich bindet. Du bist also nicht in der Lage, dich mehr als eine bestimmte Strecke von mir zu entfernen.«
»Dann bin ich also doch deine Sklavin? Jetzt hast du mich auch noch an die Kette gelegt!«
»Das stimmt nicht«, widersprach er heftig. »Ich habe es getan, damit du nicht von einem anderen Zauberer entführt oder verletzt werden kannst.«
»Aber es macht mich trotzdem zu deinem Eigentum«, sagte ich. »Und du willst nicht, dass irgendjemand es benutzt, bevor du dazu die Gelegenheit hattest.«
»Das denkst du wirklich von mir? Hältst du mich für eine Art Monster, glaubst du, mehr sehe ich nicht in dir?«
»Nein, aber du hältst mich für ein Monster«, erwiderte ich. »Eines, mit dem man seine Spielchen treiben und das man manipulieren kann. Wie kannst du es wagen, mich so zu behandeln? Du bist keinen Deut besser als Dorwan!«
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, bereute ich sie schon. North wich zurück, das Gesicht starr vor Zorn.
»Das war grausam von dir, Sydelle«, sagte er tonlos.
»Aber wahr «, sagte ich. Ich streckte den Arm aus, das Armband daran, wie ein Symbol seines Verrats. »Nimm es ab.«
»Nein«, sagte er. »Niemals.«
Ein kleiner Teil von mir wusste, dass er Recht hatte. Wenn ich es abnahm, würde ich mich und andere großer Gefahr aussetzen, falls meine Magie außer Kontrolle geriet. Vor allem jetzt, wo ich so durcheinander war. Doch es fühlte sich an, als würde mich das Armband verbrennen. Ich wollte es einfach nur loswerden, so schnell es ging, und alle Spuren davon aus meinem Leben verbannen.
Ich wollte die Hand heben, um ihn zu ohrfeigen, doch er hielt meinen Arm fest und drückte mich gegen die nächste Säule.
»Lass mich los!«, rief ich, und mein nächster Schlag landete in seinem Magen.
»Erst wenn du dich wieder beruhigt hast«, sagte er verzweifelt. »Bitte, Sydelle, hör mir zu!«
Da ertönte eine andere Stimme.
»Lassen Sie das Mädchen sofort los!« Pompey trat aus dem Schatten. Mit wehendem Gewand kam er auf uns zu, in Palmartas Purpur gekleidet. »Loslassen, habe ich gesagt!«
»Halten Sie sich da
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