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Aus Licht gewoben

Aus Licht gewoben

Titel: Aus Licht gewoben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Bracken
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raus, Pompey«, fauchte North. »Mir war nicht bewusst, dass Sie auch die Kellergewölbe zu überwachen haben.«
    »Und mir war nicht bewusst, dass Sie sowohl ein Landstreicher als auch ein Rohling sind«, entgegnete Pompey. »Lassen Sie sie augenblicklich los, North, sonst werde ich dafür sorgen, dass die Königin Sie für den Rest Ihres Lebens in den Kerker werfen lässt. Meinen Sie, dann sehen Sie das Mädchen jemals wieder?«
    Norths Griff erschlaffte, und ich machte mich los.
    »Kommen Sie mit«, sagte Pompey freundlich. Unbeholfen ging ich auf ihn zu und nahm mit einem überwältigenden Gefühl von Erleichterung seinen ausgestreckten Arm.
    »Syd!«, flehte North mit erstickter Stimme. »Nicht!« Seine Fingerspitzen berührten meinen Rücken, als Pompey und ich uns zum Gehen wandten.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, befahl Pompey. »Um Sie kümmere ich mich später. Solange werden Sie das Mädchen weder berühren noch ansprechen.« Besorgt sah er mich an.
    »Die Königin hat mich auf die Suche nach Ihnen geschickt«, erklärte er. »Sie müssen keine Angst mehr haben. Jetzt sind Sie in Sicherheit.«
    Ich nickte stumm, und ohne Norths aufgebrachte Rufe zu beachten, führte Pompey mich aus den unterirdischen Gewölben.
    »Sydelle! SYDELLE!«

    Pompey brachte mich nicht in mein Zimmer, sondern in den Wohnflügel der Königin.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte ich. »Warum …?«
    »Die Königin hat für den heutigen Abend nach Ihrer Gesellschaft verlangt.«
    »Die Königin?«, wiederholte ich fragend. »Bitte, nicht jetzt.«
    »Sie wünscht, mit Ihnen zu sprechen. Sie hat Interesse an Ihrer Geschichte bekundet.«
    Zu jeder anderen Zeit hätte die Aussicht, die Königin von Palmarta kennenzulernen, begeisterte Aufregung bei mir hervorgerufen. Doch jetzt fühlte ich mich nur leer. Meine Wangen waren noch ganz rot und heiß vom Weinen, und mein Hals tat mir so weh, dass ich kaum atmen konnte. Wie sollte ich so der überirdisch schönen Königin gegenübertreten?
    »Miss Mirabil«, sagte Pompey scharf. »Ich muss Ihnen wohl kaum erklären, wie unangemessen es wäre, eine persönliche Einladung der Königin auszuschlagen.«
    »Bitte«, sagte ich flehend, doch es war zu spät. In Pompeys festem Griff wurde ich den langen Flur entlanggeführt.
    Die vier Wachen vor den Gemächern der Königin machten Platz, als wir uns näherten. Pompey klopfte zweimal, und eine hohe Frauenstimme antwortete: »Herein!«
    Das Erste, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, waren weder der prächtige Wandbehang noch die kunstvoll bemalte Wand- und Deckentäfelung, sondern der Tisch, an dem vier Damen saßen und Karten spielten. Eine von ihnen war die junge Königin, auf dem Kopf ihre Krone.
    Pompey räusperte sich laut. Die Hofdamen unterbrachen ihre Unterhaltung und betrachteten uns interessiert.
    »Oh, Sie sind hier! Wie wunderbar!«, rief die Königin mit hoher, kindlicher Stimme. Sie kam sofort auf uns zu, wobei
ihr gelbes Kleid leise raschelte. »Sie sehen ja schrecklich aus. Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, jetzt schon«, brachte ich mühsam hervor. Ich streckte ihr die Hand entgegen, aber sie starrte nur darauf. Also ließ ich sie wieder sinken und steckte sie in die Rocktasche.
    »Eure Majestät, darf ich Euch Miss Sydelle Mirabil vorstellen«, sagte Pompey. Mit gesenktem Blick machte ich einen unbeholfenen Knicks.
    Aus nächster Nähe konnte ich sehen, wie wahrhaft makellos ihre Schönheit war, mit Augen so blau, dass sie fast schon unnatürlich wirkten. Sie bestand aus nichts als weichen Linien und blasser Haut. Ohne sich anmerken zu lassen, was sie dachte, betrachtete sie mich. Unsicher knickste ich noch einmal.
    »Ich habe so lange darauf gewartet, Sie kennenzulernen, Miss Sydelle«, sagte sie. »Darf ich Sie Sydelle nennen?«
    »Natürlich«, murmelte ich schüchtern. Ich hatte nie die Gelegenheit gehabt, eine vornehme Benimmschule zu besuchen. Clifftons Schulhaus, das Mädchen und Jungen gleichermaßen besuchten, hatte nur einen einzigen Raum. Wir hatten Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt, aber eine fremde Sprache oder wie man einen Tisch richtig deckt, hatte man mir nie beigebracht. Der Altersunterschied zwischen der Königin und mir betrug sicher nicht mehr als zwei oder drei Jahre, aber sie strahlte eine solche Selbstsicherheit aus, dass es viel mehr zu sein schienen.
    Ich fühlte mich, als wäre ich wieder sechs Jahre alt, die Wangen mit Schmutz beschmiert, die Knie aufgeschlagen. Schon die kleinste Bewegung gab mir das Gefühl,

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