Aus Licht gewoben
»Ich habe es geschenkt bekommen. «
»Oh, wie wunderbar!« Die Königin drückte verzückt die Hände an die Brust. »Da hat aber jemand einen außerordentlich guten Geschmack bewiesen.«
»Ihr habt sicher noch viel schönere Dinge«, sagte ich.
»Darf ich es anprobieren?«, fragte sie. »Es passt mir bestimmt. Ich habe sehr zarte Handgelenke.«
Der Hals schnürte sich mir zu, und mit einem Gefühl, als sei ich bleischwer und wie erstarrt, schüttelte ich den Kopf.
»Ich kann es nicht abnehmen«, sagte ich leise. »Es tut mir sehr leid. Es hat keinen Verschluss.«
»Keinen Verschluss?«, wiederholte sie. Die langen Haare fielen ihr über die Schulter und sammelten sich in ihrem Schoß wie ein goldener Fluss. »Aber wie haben Sie es dann angelegt? «
»Dazu wurde Magie benutzt«, erklärte ich.
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
»Wenn es mit Hilfe von Magie angelegt wurde, kann es auch mit Magie wieder abgenommen werden«, sagte die Königin. »Kommen Sie herein, Oliver.«
Meine Gedanken überschlugen sich. Wenn ich das Armband los wäre, könnte ich mir einen Fluchtweg aus dem Palast suchen. Dann wäre ich nicht mehr an North gebunden.
»Ja, Euer Majestät?«, sagte Oliver. Während er den Raum durchquerte, musterte er mich argwöhnisch.
»Sydelles Armband lässt sich nicht abnehmen«, sagte sie mit großen Augen. »Sie können es doch öffnen, damit ich es anprobieren kann, oder?«
»Natürlich«, sagte er und lächelte selbstbewusst.
Ich hielt ihm meinen Arm hin und wandte den Blick ab, damit ich die drei kleinen, blauen Steine mit allem, was sie bedeutet hatten, nicht ansehen musste. Es war nur ein Schmuckstück, mehr nicht.
Mehr nicht.
Als er das Armband berührte, wusste Oliver augenblicklich Bescheid. Vielleicht konnte er die darin verborgene Magie spüren, vielleicht konnte er es aber auch einfach an meinem gesenkten Blick ablesen. Aber er wusste es. Ich konnte seine Finger noch immer auf meiner Haut spüren.
»Es tut mir leid, ich kann es nicht öffnen«, sagte er und zog die Hand zurück. »Es hat keinen Verschluss.«
Die Königin schnaubte verärgert. »Natürlich hat es keinen Verschluss. Sie hat mir gerade erzählt, dass es mit Magie angelegt
wurde. Also müssen Sie es auch mit Magie wieder abnehmen. «
»Ja«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Nehmen Sie es ab.«
»Ich glaube, das wäre nicht …«, wehrte er ab und sah mich an. Zum ersten Mal sah ich in seinem Blick etwas, das nichts mit Verachtung zu tun hatte. Die Maske des Kommandanten der Zauberergarde war gefallen, und vor mir stand nur noch ein entsetzter junger Mann.
» Öffnen Sie es , Oliver.« Die Königin trat an seine Seite und strich ihm mit einer kleinen blassen Hand über den Arm.
Ich fühlte, wie er verkrampfte, die Finger bereit, das Kettchen zu zerreißen. Er schloss die Augen und stieß scharf den Atem aus. Mit einem hörbaren Knacken riss das Band und fiel zu Boden. Fast erwartete ich, von einer Welle der Gefühle erfasst zu werden, oder dass ein schrecklicher Sturm aufkommen und uns alle vernichten würde, doch ich fühlte nur tödliche Ruhe, als meine Verbindung zu North durchtrennt wurde.
»Danke, Oliver«, sagte Königin Eglantine. Der Zauberer hatte den Kopf zur Seite gedreht, die Augen immer noch geschlossen, als könne er nicht mit ansehen, was er gerade getan hatte. »Sie sind entschuldigt. Schicken Sie mir auf dem Weg nach draußen Pompey herein. Er sollte schon vor der Tür warten.«
Oliver drehte den Kopf ruckartig wieder in unsere Richtung. Er blickte zwischen dem angespannten Lächeln der Königin und dem Armband am Boden hin und her.
»Was habt Ihr …?«
»Auf Wiedersehen, Commander Swift«, wiederholte die Königin.
Er drehte sich um und ging aus dem Zimmer, jedoch nicht,
ohne mir noch einen eindringlichen Blick zuzuwerfen. Erst nachdem sich die Tür geöffnet und wieder geschlossen hatte, brach die Königin das Schweigen.
»Also«, sagte sie und trat auf das Armband, als wäre es gar nicht da. »Vielleicht können Sie mir etwas Klarheit verschaffen. Mir ist vor kurzem ein hässliches kleines Gerücht zu Ohren gekommen.«
Mein gesamter Körper war taub geworden.
»Pompey hat mir mitgeteilt, er habe ein Gespräch zwischen der Königlichen Hofzauberin und ihrem Sohn mit angehört. Und wissen Sie, was er mir erzählt hat? Er hat gesagt, Sie hätten die Macht, ein ganzes Königreich zu zerstören.«
»Nein«, flüsterte ich entsetzt. »Nein, das stimmt nicht … ich
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