Aus Licht gewoben
Schritt getan, hielt mich etwas hart am Arm zurück. Ich sah über die Schulter in der Erwartung, eine behandschuhte Hand vorzufinden, doch da war nur Luft, sonst nichts. Wieder machte ich einen Schritt nach vorn, aber ein unsichtbarer Griff hielt mich am Handgelenk fest. Ich versuchte meine Hand loszureißen. Ich konnte jeden Körperteil bewegen, und trotzdem war es, als wäre ich in unsichtbare Ketten gelegt.
Als ich einen Schritt zurückging, fiel mein Arm mit einem leisen Klimpern meines Armbandes schlaff nach unten. Das Armband, das im Licht der Fackeln unnatürlich zu leuchten schien. Das Armband, über das ich mich so gefreut hatte.
Das Armband, das North mir geschenkt hatte.
Ich sackte an der nächsten Säule zusammen und starrte auf die silberne Kette, die drei makellosen Steine – so schön, dass sie nicht von dieser Welt zu sein schienen – und berührte sie ganz leicht. Es gab keinen Verschluss, um das Kettchen abzunehmen. Suchend drehte ich es. Es war mir nie aufgefallen, denn vor diesem Augenblick hatte ich niemals daran gedacht, es abzunehmen.
Es war zu eng, um es einfach über die Hand zu streifen, und die Kette zu stark, um sie zu zerreißen. Je mehr ich daran zog, desto wärmer schien sie zu werden. Jetzt endlich erkannte ich die Magie daran als das, was sie war, und begann zu weinen. Es kam direkt aus meiner Seele, die Schluchzer brachen einfach aus mir heraus. Als das nicht genügte und ich das Gefühl hatte, das Gewicht auf mir würde mich erdrücken, hob ich den Blick zur tropfenden Kellerdecke und stieß einen unhörbaren Schrei der Verzweiflung aus.
Wozu war dieses Armband noch fähig? Warum hatte er es mir gegeben? Und warum hatte ich es, ohne darüber nachzudenken, angenommen?
»So … dumm«, schluchzte ich und presste die Hände vor das Gesicht.
Wie unbeschreiblich dumm du bist, Sydelle.
Vierzehntes Kapitel
A ls ich mich endlich bewegte, war es dunkel geworden. Mir taten die Knie weh, die ich an mich gezogen hatte, um mich daran festzuhalten. Doch die lange Zeit, die ich auf dem kalten, nassen Fußboden zugebracht hatte, hatte jeden anderen Teil meines Körpers taub werden lassen. Selbst das qualvolle Gefühl in meiner Brust war von einem stechenden Schmerz zu einem lähmenden, dumpfen Pochen geworden.
Unsicher stand ich auf und sah mich um. Flackernd beschienen die Fackeln das Wasser zu meinen Füßen, sodass ich den Weg zurücksehen konnte. Am anderen Ende des Gewölbes gab es einen Steinbogen, der aussah, als führte er in einen anderen Raum, vielleicht sogar zu einem Gang nach draußen. Wenn ich die unsichtbare Kette, die mich zurückhielt, loswerden konnte, standen die Chancen gut, einen Weg aus dem Palast zu finden. Diese Möglichkeit erschien mir besser, als die gleiche Tür zu nehmen, zu der ich hereingekommen war. Außerdem war es unwahrscheinlicher, dass ich jemandem begegnete.
Vorsichtig machte ich ein paar Schritte nach vorn und bereitete mich schon darauf vor, mit einem Ruck zurückgehalten zu werden, doch ich stieß auf keinerlei Widerstand. Ich machte einen Schritt, dann noch einen und noch einen.
Was mich vorhin auch zurückgehalten hatte, es war nicht mehr da. Schnell und viel leichter als noch einen Augenblick
zuvor rannte ich durch das schmutzige Wasser, das um mich aufspritzte, auf den Torbogen zu.
Ich schaffe es, dachte ich. Alles wird wieder gut. Ich werde zwar ganz alleine sein, aber es wird alles gut.
»Syd?«
Die Stimme, die durch das Gewölbe hallte, klang ungläubig und erleichtert zugleich. Ruckartig kam ich zum Stehen. Nur ein einziges Wort, und mein Herz zog sich zusammen, die herrliche Leichtigkeit war fort. Alles, was ich fühlen konnte, war Schmerz, und dann, ganz plötzlich, durchzuckte mich der Zorn wie ein heißer Blitz.
»Hast du dich hier unten verlaufen?«, fragte er lachend. »Ich habe dich den ganzen Tag gesucht! Komm mit, das Abendessen haben wir schon verpasst.«
Ich konnte mich einfach nicht umdrehen und wollte es auch gar nicht. Ich war eine von Mr. Monticellis Glasfiguren am Rande des Regals und konnte jederzeit hinabstürzen und in tausend kleine Stücke zerspringen. Ich atmete einmal tief durch, um mich zu beruhigen, und ging dann weiter.
»Wo willst du denn hin?«, rief North.
Ich beschleunigte meinen Schritt, die ersten Tränen brannten mir schon in den Augen. Unglücklicherweise war North auch schneller geworden. Mit seinen langen Schritten überholte er mich und verstellte mir verärgert den Weg. Als er mich anfassen
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