Aus Nebel geboren
sich die Jacke auf, packte seine Hand und presste sie auf ihre Brust.
„Und? Ist er da?“
Fay wusste nicht, was sie wütender machte. Juliens Ruhe oder die Tatsache, dass er ohne jede Reaktion auf ihren Ausbruch die Hand von ihrem Busen nahm.
„Du bist aufgebracht“, stellte er trocken fest.
Am liebsten hätte Fay ihm eine verpasst. „Aufgebracht? Aufgebracht!? Wer sagt denn sowas?“
Wieder überging er ihr Geschrei und war nach wie vor die Ruhe selbst.
„Ich nahm an, dass des Wanderers Suche gründlich war und er den Rubin längst in seinem Besitz hätte, wenn du ihn bei dir gehabt hättest.“
Beschämt dachte Fay an die perverse Gründlichkeit der Suche dieses Irren und nickte nur.
„Sag mir besser gleich, wo er ist, denn, wenn wir uns nicht beeilen, werden noch andere hinter dir her sein.“
„Warum? Was ist an dem Stein so Besonderes, dass die Vereinigung der Geisteskranken ihn unbedingt haben will?“
Julien lächelte – und Fay war wie geblendet. Scheiße!, sah der Typ gut aus, wenn er nicht so unbeteiligt wirkte. Sogar in seiner Stimme schwang Humor mit, als er antwortete.
„Du hast es doch selbst gesagt – es ist ein sehr wertvoller Rubin.“
„Und das ist alles?“
„Das ist alles, was du wissen musst.“
Das Elixier
Jerusalem, 1099
„Bist du mutig genug, der Wahrheit ins Auge zu sehen, Christ? Oder hängst du, genau wie alle anderen an dieser Lüge, zu der ihr euer Leben lang gebetet habt?“
Julien sah den Heiden an, der zärtlich die Hand seiner Frau hielt. Sein Blick war ernst und voll des Schmerzes. Seine Frau war von den Kreuzrittern vergewaltigt worden. Wie sehr musste es ihn quälen, sie nicht beschützt zu haben? Quälte es ihn so sehr, dass er bereit war, gotteslästerliche Reden zu schwingen, auch wenn dies ihnen beiden den Tod brachte?
Julien wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und sah auf die Frau hinab. Sie war schön. Er wollte hören, was sie sagte, nicht nur, weil ihre Stimme ihm eine Wohltat in dem Geschrei der Todgeweihten war, sondern weil sie etwas in ihm berührte, das er nicht benennen konnte.
„Sprich! Was wäre es für eine Welt, in der kein Raum für Wahrheit ist?“, fragte er und erntete ein Lachen.
Diesmal war es der Heide, der sprach.
„Mein Name ist Said, und das ist die einzige Wahrheit, die du annehmen kannst, ohne deinen Gott zu verraten.“
Julien nickte.
„Denke nicht, Christ, dass wir unser Wissen mit allen teilen, die des Weges kommen. Nein, im Gegenteil. Die Wahrheit ist ein kostbares Gut, und kaum einer kann sie ertragen. Wir hüten sie für die Nachwelt, aber wie es aussieht, hat die Lüge einen weiteren Sieg errungen, und wir werden die Nachwelt nicht mehr erleben. Du wirst uns zuerst nicht glauben. Du wirst uns für Lügner halten, für verrückt, aber ich habe gesehen, wozu du fähig bist. Du gehst nicht mit blindem Herzen durch die Welt. Du wirst den Beweis suchen, von dem ich dir jetzt erzähle, und wenn du der Mann bist, für den wir dich halten, wirst du weiterführen, was wir nicht mehr können.“
Said sah besorgt auf seine Frau nieder. Sie litt starke Schmerzen, und es gab nichts, das er tun konnte, um ihre Qualen zu lindern. Er legte ihr die Hand auf die fiebrige Stirn und murmelte etwas in fremder Sprache.
Auch Julien war in Sorge. Die Kräfte der Frau schwanden rapide, und die Soldaten hinter ihm hatten begonnen, die Gefangenen vor den Priester zu schleppen. Unruhe kam auf, und Julien wusste, ihm blieb nicht viel Zeit.
„So sprich doch weiter“, bat er und fuhr sich nervös durchs Haar.
„Unsterblichkeit“, sagte Said und sah Julien unverwandt an. „Die Wahrheit ist Unsterblichkeit. Es gibt ein Elixier – es vermag Menschen zu töten und sie dann in einem unsterblichen Leib wiederzuerwecken. Euer Herr, Jesus von Nazareth, ist nicht wiederauferstanden durch Gottes Hand – oder, weil er Gottes Sohn war …“
Said richtete sich auf. Sein Blick ruhte auf Julien, als prüfe er dessen Reaktion.
„Er wusste von dem Elixier … und wendete es an.“
Alles in Julien sträubte sich gegen diese unglaubliche Behauptung.
„Warum sollte ich diesem Unsinn Gehör schenken?“, fragte er daher.
„Weil dies, Christ, … die Wahrheit ist. Euer König der Juden starb am Kreuz, nachdem man ihm einen Schwamm reichte, der mit Essigwasser getränkt war. Dieser Essig – er war vermischt mit dem Elixier. Das nahm ihm das Leben … um ihn später unsterblich zurückkehren zu lassen.“
Julien schüttelte den Kopf
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