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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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Wahrheit, von der du sprichst, Weib?“, fragte Julien und suchte in ihren dunklen Augen nach einer Antwort.

Im Regen

    Paris, heute
    Der Regen schaffte Vertraulichkeit, wo keine war. Der feuchte Geruch nach Gras und Erde hing zwischen den Bäumen, und Julien beeilte sich, durch den nassen Vorhang hindurch zu finden, wonach er suchte. Ein Impuls – mehr war es nicht gewesen. Der kurze Moment, als das Feuerzeug aufglühte und sich in roten Locken reflektierte. Unmöglich zu sagen, ob er sich irrte. Ob es die Frau war, nach der er suchte? Es schien ihm, als würde er sie kennen. Wer war er, diese Eingebung zu hinterfragen? Also hatte er seinen Aussichtspunkt auf dem Dach des Hotels aufgegeben und war ihr gefolgt. In den Park, in den noch dichteren Regen – in eine Falle? Der Gedanke kam ihm, aber er wischte ihn beiseite, wie er sich auch das Wasser aus dem Gesicht wischte.
    Vor ihm gabelte sich der Weg, und er fluchte. Wohin wollte sie? Was war ihr Ziel? Der Bahnhof? Wusste sie vielleicht um die Gefahr, in der sie schwebte, und plante ihre Flucht? War sie dabei, zu verschwinden? Sich in Luft aufzulösen, wie er selbst es schon so oft getan hatte?
    Julien entschied sich für den rechten Pfad und folgte diesem, als ein Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte. Er sah sich um. Es waren keine Passanten in der Nähe. Das war gut. Er löste die Manschettenknöpfe seines Hemdes und streckte die Arme, damit ihm die Klingen in die Hand glitten.
    Langsam trat er hinter die marmorne Tafel, hinter der er das Geräusch vernommen hatte.
    Der Wanderer! Julien biss die Zähne zusammen und schluckte den Fluch, der auf seiner Zunge lag hinunter.
    „Wir können noch länger spielen, oder du sagst mir, was ich wissen will“, raunte der Wanderer, und Julien hörte ein Wimmern.
    Kurzerhand trat er hinter den alten Bekannten und legte ihm die Klinge an den Hals.
    „Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“, fragte Julien und entwand seinem überraschten Gegner die Pistole, ehe er sich zwischen ihn und die Frau schob.
    Der Wanderer verbeugte sich anerkennend und lächelte dieses Lachen, das kein Gefühl zeigte.
    „Colombier – mein Freund – es ist lange her.“
    „Nicht lange genug, wenn du mich fragst.“ Julien ließ das Magazin aus der Waffe gleiten und steckte es ein.
    „Ich glaube, Gabriel hat kürzlich etwas Ähnliches gesagt“, erwiderte der Wanderer beißend.
    Julien erstarrte. Sogleich bereute er, die Waffe achtlos beiseite geworfen zu haben. Bedeuteten des Wanderers Worte, was Julien glaubte? Wenn ja, dann hätte er ihm am liebsten eine Kugel in den Leib gejagt – auch wenn er wusste, dass das keinen von ihnen umbringen würde. Der Wanderer erhoffte sich vermutlich einen Vorteil, indem er ihn reizte. Und glaubte man den Geschichten, war eine Kugel im Leib für diesen Kerl nichts Neues. Man erzählte sich, jedes Stück Metall an seiner Kleidung wäre zuvor auf ihn abgefeuert worden.
    „Wer hat dich dieses Mal bezahlt?“, fragte Julien und verschaffte der Frau hinter sich etwas Luft. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sie anzusehen, aber er spürte ihre Angst.
    „Die Frage ist doch, wer mich nicht dafür bezahlt, euch mit Rubinen zu … beschenken ? Ihr habt viele Feinde.“
    Der Wanderer bückte sich und zog eine lange rote Kristallklinge aus dem Schaft seines Stiefels. Damit tat er so, als säuberte er sich die Fingernägel.
    „Wir hatten einen Handel“, erinnerte Julien sein Gegenüber.
    Der nickte. „Mein Preis hat sich geändert, hat euch das Gabriel nicht ausgerichtet? Als ich ihn zuletzt sah, schien er das erkannt zu haben.“
    „Wer hat dich bezahlt? Die Bruderschaft? Die Kirche?“
    Der Wanderer strich über den Pelz an seinem Kragen, als wäre es ein Kätzchen, und ließ die Rubinklinge durch seine Finger tanzen. Das war waghalsig, denn selbst der kleinste Schnitt mit dieser Waffe würde auch ihn selbst töten.
    „Ich nehme mein Geld von allen, Colombier. So lebt es sich ganz angenehm, und du …“
    Er deutete mit dem speziellen Dolch auf Julien.
    „… du solltest wissen, dass es mir persönlich egal ist, wer die Wahrheit hat, kennt, oder für seine Zwecke benutzt. Frag dich also lieber, woher mein Auftraggeber so viel über euch weiß, dass er mir genau sagen kann, wer von euch welchen Ton furzt.“
    Damit verneigte er sich vor Julien und lächelte. Diesmal erreichte das Lächeln auch seine Augen.
    „Alter Freund, wir sehen uns sicher bald wieder.“
    „Freund? Söldner wie du haben keine

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