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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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Freunde – nur Feinde“, widersprach Julien, aber der Wanderer hatte ihm schon den Rücken zugewandt.
    „Feind, Freund – Freund, Feind, die Zeiten ändern sich, Colombier – vergiss das nicht.“

    Fays Lunge schrie nach Luft, die sie aus lauter Furcht angehalten hatte. Mit einem Japsen atmete sie tief ein, als der Wanderer, wie ihr Retter den Angreifer genannt hatte, so geräuschlos, wie er gekommen war, wieder mit den Schatten des Parks verschmolz.
    Ihre Haut kribbelte, so angespannt waren ihre Sinne. Ihre Gedanken rasten, aber ihr Körper gehorchte noch immer nicht. Es war ihr, als falle sie, und nur der Rücken des Mannes vor ihr schien beständig, während sie an allem anderen in ihrem freien Fall vorbeirauschte. Wenn sie doch nur die Hände ausstrecken könnte, um sich an ihm festzuhalten …
    Er drehte sich um, gerade, als es ihr gelungen war, ihre Arme zu heben. Sie wollte sich bedecken, sich verstecken, aber noch viel mehr wollte sie sich retten lassen. Sie wollte nur einmal in ihrem Leben nicht stark sein. Nicht die Tapfere spielen, sondern selbst gerettet werden. Trost und Hilfe finden. Und wer immer dieser Fremde war, sie spürte, dass er gekommen war, um genau das zu tun. Sie krallte sich schutzsuchend an sein Hemd, atmete seinen männlichen Duft, als sie ihren Kopf gegen seine Brust lehnte. Fays Knie versagten ihr den Dienst, und so hob er sie sanft in seine Arme, als wöge sie nicht mehr als ein Kind.
    „Du bist in Gefahr“, stellte er fest und zog seinen Mantel über ihre regennasse Haut. Fay fühlte sich bei ihm geborgen, obwohl ihr seine Worte Angst machten.
    „Wer bist du? Und wer war dieser Kerl? Ich ... was ist hier eigentlich los?“
    „Mein Name ist Julien Colombier“, erklärte er, und sein Blick lag auf ihrem Haar. „Ich habe nach dir gesucht. Du hast von mir nichts zu befürchten ...“
    Julien wird dich finden , erklang es wieder, wie der Refrain eines vertrauten Liedes, in ihrem Kopf. Es war unheimlich, dass er wirklich vor ihr stand, obwohl er nicht einmal ihren Namen kannte.
    „Fay. Fay Ledoux, und du bist … Julien? Aber ich dachte, der Kerl …“ Fay war verwirrt.
    „Er hat dich angelogen. Nur selten tut er etwas anderes, als die Unwahrheit zu sprechen“, sagte Julien tonlos.
    „Du kennst diesen Irren?“
    „Er ist mir bekannt, aber niemand kennt ihn. Man nennt ihn den Wanderer, weil er ...“
    Julien schüttelte den Kopf und lächelte sie an.
    „… das tut für dich nichts zur Sache. Wir sind hier nicht sicher. Kannst du stehen?“
    Er sah auf ihre Jacke und ihr Shirt hinunter, welche im Dreck lagen. Jetzt erst bemerkte sie, wie wenig sie anhatte, und auch wenn keine Spur Anzüglichkeit in seinem Blick lag, war sie für einen Tag bereits genug erniedrigt worden.
    Behutsam stellte Julien sie auf ihre Füße, ohne sie jedoch loszulassen, und Fay war dankbar dafür. Sie fürchtete den Moment, in dem sie sich wieder allein ihren Sorgen stellen musste. Sie sah ihn an. Sah ihn zum ersten Mal richtig an und musste schlucken.
    Er war … ungewöhnlich. Nicht unbedingt sein Erscheinungsbild. Er war ein sehr attraktiver Mann. Dunkelblondes Haar, welches ihm locker in die Stirn fiel und bis in seinen Nacken reichte. Ein Dreitagebart, weich geschwungene Lippen und eine gerade Nase gaben ihm eine männliche Schönheit, aber das Besondere waren seine Augen. Nie zuvor hatte Fay solche Augen gesehen. Sie waren wie Gletscher. Grünblau und klar, nicht kalt, sondern geheimnisvoll, als würden sie Dinge kennen, die uralt und tief unter der Oberfläche versteckt waren. Es waren Augen, die mehr verbargen, als sie zeigten, und doch hell und offen leuchteten.
    „Hat er dir wehgetan?“, fragte er und neigte ihren Kopf. Vorsichtig strich er über den Kratzer an ihrem Hals, den die Pistole hinterlassen hatte.
    Fay hätte weinen mögen. Sie fühlte sich so schwach unter dem zärtlichen, fürsorglichen Blick des Fremden. Noch schwächer, als in dem Moment, in dem sie bedroht worden war. Es war eine Schwäche, die so anders war als die Hilflosigkeit, die sie so oft verspürte, denn dieses Mal wurde keine Stärke von ihr erwartet. Er schien nichts zu fordern, hatte noch nicht einen Blick auf ihre Brüste geworfen, obwohl sie nur ihren BH trug. Eine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel, und Fay wusste, sie musste dringend ihren Schutzschild hochfahren, ehe sie vollends zusammenbrechen würde.
    „Nicht mehr, als es Männer für gewöhnlich tun“, antwortete sie und löste sich aus seinem

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