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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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an sich genommen.“
    Julien war zufrieden, dass ihm seine Männer nun wenigstens Gehör schenkten. Es fiel ihm selbst schwer, das alles zu begreifen.
    „Said weiß nicht, ob sie gefunden hat, wonach sie suchte, noch woher sie von der Existenz des Elixiers hatte wissen können, aber vermutlich ist es ihr zu verdanken, dass der Geheimgang, den ich heute betrat, existiert. Dort, in den verschütteten Überresten des ehemaligen Felsengrabes war das Rubinfläschchen versteckt. Said und seine Männer, die beim Sturm auf Jerusalem getötet wurden, waren die Wächter dieses Schatzes. Nun soll es an uns sein, diese Aufgabe zu übernehmen.“

Das Versteck

    Paris, heute
    Jade rollte ihr Zungenpiercing in ihrem Mund herum. Das leise Klackern gegen ihre Zähne beruhigte sie. Sie klickte sich durch verschiedene Dateien und scrollte durch die Register der Meldebehörde. Das Standbild auf dem Monitor zu ihrer Linken zeigte das Polizeifoto einer Fay Ledoux. Die Frau darauf sah jung und verletzlich aus, auch wenn ihre rote toupierte Mähne und das grelle Make-up sie hätten älter wirken lassen sollen.
    Leider konnte Jade mit diesem Eintrag nichts anfangen, da als Adresse eine Einrichtung für jugendliche Straßenkinder angegeben war, man aber dort seit Jahren nichts mehr von Fay gehört hatte.
    Nun hackte sich Jade durch die deprimierende Vergangenheit der Gesuchten: zerrüttetes Elternhaus, Gewalt, Krankenhausaufenthalte, Überdosis der Mutter und wieder Gewalt durch den Vater. Dann eine Verhaftung wegen Körperverletzung, die schließlich wegen Notwehr gegen einen Übergriff des Vaters fallengelassen wurde.
    Hier fand Jade den ersten Hinweis auf eine Chloé Ledoux, die damals die Aussage ihrer Schwester bestätigt hatte. Dann verlor sich die Fährte, und Fay schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Keine weiteren Einträge in ihrer Polizeiakte, keine Krankenakte, kein Konto, keine Versicherung, geschweige denn ein Zeitschriftenabo.
    Jade knackte mit ihren Fingern. Müsste sie das Leben dieser Frau führen, würde sie sich auch in Luft auflösen wollen, überlegte sie und dachte für einen Moment an ihre eigene Kindheit zurück.
    Ihre Eltern waren reich. Stinkreich, wie Jade immer zu sagen pflegte, und ein Beispiel für den perfekten, tugendhaften Bürger. Sie zahlten ihre Steuern, spielten Tennis und gingen gerne ins Theater. Verreisten mindestens viermal im Jahr und besaßen ein weiteres Haus in der Toskana.
    Jade hatte es nie an etwas gefehlt, und sie war wohl so etwas wie ein glückliches Kind gewesen. Sie wusste selbst nicht, was dann passiert war.
    Die Beziehung zu ihren Eltern war während ihrer Pubertät vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Jade hatte damals ihren Freundeskreis erweitert, Marihuana probiert und für gut befunden, und auch ihre sexuelle Orientierung gefunden – bei einer Frau. Zu Hause löste ihre Selbstfindung eine Welle der Empörung aus, und Jade hatte sich in einer Nacht- und Nebelaktion von ihren Eltern losgesagt. Da ihr Vater die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung noch nicht aufgegeben hatte, war ihr Konto aber immer gut gefüllt.
    Jade war in den letzten Jahren viel gereist und dabei auf die Bruderschaft gestoßen. Sofort hatte sie sich berufen gefühlt, deren Sache zu dienen und der Welt die Wahrheit zu bringen. Menschen wie ihre Eltern würden dann endlich erkennen, dass die größte Sünde dieser Welt nicht war, als Frau eine andere Frau zu begehren, sondern den Menschen über zweitausend Jahre lang eine unglaubliche Lüge zu präsentieren.
    Aber dazu musste es der Bruderschaft endlich gelingen, die Wahrheit in ihren Besitz zu bringen. Ohne einen Beweis würde so ein massives Lügengebilde, wie die christliche Kirche es um sich errichtet hatte, niemals in sich zusammenfallen.
    Es war an der Zeit, der Welt die Augen zu öffnen und die Wahrheit zu offenbaren.
    Jade schob sich das Headset vom Kopf und stand auf. Ihr Weg zur Kaffeemaschine führte sie an Andrés Arbeitsplatz vorbei, und sie spähte ihm kurz über die Schulter. Auch er war an der Sache dran, nur folgte er einem der Nebelmänner. Die hinterließen für gewöhnlich überhaupt keine Spuren, aber die Überwachungskameras der Polizei oder die Webcams lieferten dennoch einzelne Hinweise.
    Sie wusste, André war ungeduldig, und er erwartete von ihr, ihm in dieser Hinsicht unter die Arme zu greifen. Sie goss sich das dampfende Gebräu ein und wärmte ihre Finger an der Tasse. Für die Jahreszeit war es eindeutig zu kalt! Zudem ließ sie die

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