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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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sähe er sie zum ersten Mal. Dann richtete er den Blick wieder auf die Fahrbahn.
    „In was für einer Welt lebst du, Fay? Gibt es für dich nur Misstrauen? Erkennst du nicht, wenn es jemand gut mit dir meint?“
    Fay rieb sich die Oberschenkel. Die nasse Hose war eiskalt und würde mit Sicherheit Flecken auf dem Ledersportsitz hinterlassen. Das war so absurd! Wieder trieb ihr dieser Fremde mit nur wenigen Worten Tränen in die Augen. Scheiße, was ging es ihn denn an, wie ihre Welt aussah?
    „Du meinst es nicht besser mit mir als alle anderen Kerle! Du willst den Stein. Tu also nicht so, als würdest du aus reiner Nächstenliebe handeln!“
    Fay sah aus dem Fenster die Landschaft dahinfliegen und presste die Lippen zusammen. Warum gelang es ihr nur nicht, den Schutzmantel der Gleichgültigkeit wieder anzulegen, den sie immer um ihre Seele hüllte, wenn sie sich im Café de Nuit auszog oder einer dieser Säcke sie antatschte?
    Warum ging ihr dieser Kerl mit den unvergleichlichen Augen so unter die Haut? Selbst seine Stimme berührte sie auf eine Weise, die ihr nicht gefiel.
    „Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du zwischen die Fronten einer Sache gerätst, die du nicht verstehen kannst und die ich nicht in der Lage bin, dir zu erklären. Gabriel hätte dich niemals einer solchen Gefahr aussetzen dürfen, aber das lässt sich jetzt nicht mehr ungeschehen machen. Alles, was mir zu tun bleibt, ist, den Stein zurückzuholen und dich zu schützen.“
    Er sah sie an und lächelte.
    „Sei unbesorgt, dir wird nichts geschehen, solange du bei mir bist.“
    Fay schluckte. Sie hätte gerne etwas erwidert, ihm gesagt, dass sie sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte, aber ihr versagte die Stimme. Sein Lächeln presste sie mehr in ihren Sitz als die Geschwindigkeit, und sie wollte mehr denn je seinen Worten einfach vertrauen.
    Julien fuhr von der Autobahn ab, und endlich hörte es auf zu regnen. Sie fuhren eine gewundene Landstraße entlang, und sein Blick wanderte immer wieder zum Rückspiegel. Niemand folgte ihnen, und seine abfallende Anspannung übertrug sich auch auf Fay.
    Der Übergriff des Wanderers hatte ihr ordentlich zugesetzt, und insgeheim war sie froh, dass sie Paris und all diese Gestalten hinter sich gelassen hatte. Nun , dachte sie zynisch – alle, bis auf den geheimnisvollen Mann neben mir.
    Julien lenkte den Wagen von der Landstraße auf eine private Zufahrt. Fay sah sich um, aber weit und breit war nichts zu sehen. Sie fuhren immer weiter, einen baumgesäumten Weg den Hügel hinauf, bis schließlich die weißen Mauern und rotgedeckten Türme eines kleinen Schlosses vor ihnen auftauchten.
    Ungläubig richtete sich Fay in ihrem Sitz auf.
    „Wer bist du?“, fragte sie und deutete auf das Auto und das prunkvolle Gebäude. „Echt jetzt, das ist doch nicht normal!“
    Julien ließ den Wagen in den Hof rollen und parkte vor einer großen bogenförmigen Tür, die mit Rosenornamenten verziert war. Ein gemauerter Brunnen erzeugte historisches Flair, und die verspielten Fensterbögen waren wie aus einem der Märchenfilme, die Fay noch aus den wenigen glücklichen Momenten ihrer Kindheit kannte.
    Julien zuckte mit den Schultern, und wie schon zuvor schien er verlegen. „Nur selten ist etwas so, wie es scheint, Fay.“
    „Solange du dich nicht als Vampir entpuppst oder mich Christian Greys Spielzimmer dort drinnen erwartet!“
    Irritiert sah er sie an. „Wovon sprichst du?“
    Fay grinste.
    „Ach, vergiss es. Ist ja lustig, dass ich dem rätselhaften Fremden Rätsel aufgebe. Was ist nun? Steigen wir aus, oder darf ich dieses Märchenschloss nur vom Auto aus bewundern?“
    Im Inneren war das Schloss noch viel beeindruckender als von außen. Die diagonal schachbrettartig gefliesten Räume hatten meterhohe Decken, und durch die bunten Bogenfenster fiel trotz des düsteren Tages hell und freundlich das Licht. Fays Schritte hallten von den Wänden des langen Korridors wider, wohingegen sich Julien beinahe lautlos neben ihr bewegte. Große Gemälde in goldenen Rahmen zeugten von erlesenem Kunstgeschmack, und Fay fühlte sich furchtbar fehl am Platz. Als wäre sie ein Kaffeefleck auf einem weißen Hemd.
    Julien berührte sie sanft am Arm, als er sie durch eine Tür in eines der großzügigen Turmzimmer führte. Pastellfarbene Wände, ein mit luftigen Vorhängen geschmücktes Bett und ein dicker runder Teppich wirkten behaglich. Fay trat staunend ein.
    Julien folgte ihr und öffnete die Tür in ein angrenzendes

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