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Aus Nebel geboren

Aus Nebel geboren

Titel: Aus Nebel geboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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Badezimmer. Eine riesige Wanne mit goldenen Hähnen, eine Wasserfalldusche hinter durchscheinend blassblauem Mosaik und deckenhohe Spiegel raubten Fay den Atem.
    Unbewusst schlüpfte sie aus ihrer Lederjacke. Das war definitiv etwas anderes als ihre tropfende Dusche mit dem lumpigen Vorhang.
    „Sei mein Gast und fühle dich wie zu Hause. Wenn du etwas benötigst, lass es mich wissen.“
    Julien ging zu einer weiteren Tür und drehte den Schlüssel.
    „Hier ist der Salon, der dein und mein Zimmer miteinander verbindet. Du kannst abschließen, wenn du möchtest. Ich werde dort auf dich warten, und … wir könnten zusammen essen, ehe wir uns den Stein holen.“
    Der Stein! Fay zuckte zusammen. Den hatte sie vor lauter Ich fühle mich wie eine Prinzessin total vergessen. Schuldbewusst dachte sie an Chloé, die in der kalten Kammer saß und sich sicher fragte, wo sie steckte. Dumm, dass weder sie noch ihre Schwester ein Handy besaßen. Aber das wäre eine unnötige Investition, denn es gab niemanden, der sie anrufen würde, und sie konnten es sich ohnehin nicht leisten. Wann immer sie Chloé erreichen musste, rief sie für gewöhnlich in der Wäscherei an.
    „Danke, das ist nett von dir, Julien. Aber kann ich vielleicht kurz meine Schwester anrufen? Sie ist sicher in Sorge um mich.“
    Überrascht hob er die Augenbrauen.
    „Deine Schwester? Weiß sie von dem Stein?“
    „Ja. Aber sie weiß nicht, wo er ist.“
    Julien ging zum Fenster und fuhr sich durch die Haare. Seine breiten Schultern sperrten beinahe das ganze Licht aus, und Fay bewunderte seine zur Taille hin schmäler werdende Silhouette. Warum kamen eigentlich nie solche Kerle in die Bar? Schnell verdrängte Fay diesen Gedanken, als ihr einfiel, dass sie erst dem Erscheinen eines solchen Mannes in der Bar dieses ganze Chaos zu verdanken hatte. Diesem Gabriel, dessen Blut sie von ihrer Haut geschrubbt hatte. Gabriel, der tot war, wenn sie Julien glauben konnte.
    „Ruf sie an. Sag ihr, du hast den Stein nicht mehr. Sag ihr, ich hätte ihn dir weggenommen und du würdest dich noch mit einem Freund treffen. Sie soll sich nicht fragen, warum du nicht nach Hause kommst.“
    Er schien beunruhigt. Fay verzog den Mundwinkel.
    „Wenn ich ihr sage, ich treffe einen Freund, dann glaubt sie mir das nie. Ich habe keine Freunde. Aber keine Sorge, ich bekomme das hin. Sie ist doch nicht in Gefahr, oder?“
    Julien zögerte.
    „Ich denke nicht. Du bist es, hinter der sie her sind – und wenn deine Schwester sagt, ich hätte den Stein, dann wird ihr die Bruderschaft nichts tun, selbst wenn sie sie finden.“

    Julien hoffte, er würde recht behalten, als er sah, wie Fay wählte. Noch immer klebten der jungen Frau die nassen Kleider am Leib und das Haar strähnig am Kopf. Ihm wollte nicht in den Sinn, warum Gabriel sie in die Sache hineingezogen hatte. Weshalb ausgerechnet sie? War sie schlicht als Einzige zur Stelle gewesen? Oder war es ihr auffälliges Haar, das ihnen den Hinweis hatte geben sollen? So musste es sein.
    Er lauschte ihren Worten, um zu hören, was sie ihrer Schwester erzählte. Er traute ihr nicht. Irgendwann in den vielen Jahren seines Lebens hatte er aufgehört, Menschen außerhalb ihrer kleinen Gruppe zu vertrauen. Vertrauen war zu kostbar, als dass er es leichtfertig verschenken konnte. Gerade bat sie jemanden darum, kurz ihre Schwester sprechen zu dürfen. Sie tippte ungeduldig mit dem Fuß.
    „Wir haben kein eigenes Telefon“, erklärte sie beinahe entschuldigend.
    „Hallo, Chloé, ich rufe nur an, damit du dir keine Sorgen machst. Ich bin auf dem Weg in die Bar. Ich mache lieber eine Sonderschicht, denn so ein echt unheimlicher Kerl hat mir den Edelstein abgenommen“, hörte er Fay sagen.
    „Nein, er muss wohl gewusst haben, dass ich den Stein hatte! Das war bestimmt dieser Julien, von dem der andere Typ gesprochen hat!“
    Sie lauschte der Antwort aus der Leitung.
    „Nimm es nicht so schwer. Vielleicht ist es besser, dass wir den Klunker los sind – mir war das wirklich eine Nummer zu groß. Wir schaffen es auch so. Ich muss jetzt los, bis nachher.“
    Sie reichte Julien das Telefon zurück.
    „Du bist Kellnerin?“, fragte er, aber Fay schüttelte den Kopf. Sie sah sich in dem schönen Raum um, und Julien fragte sich, warum es ihm so wichtig war, dass sie sich wohlfühlte. Wie ein Straßenkätzchen, dachte er, als er ihr nasses Haar und ihre magere Gestalt genauer betrachtete.
    Sie sah ihn an. Ihr Blick – eine Herausforderung. Er wusste,

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