Aus Nebel geboren
ganzen Erdball ausbreitete, war die Bedrohung größer denn je, fürchtete er.
Ein Beweis gegen die scheinbare Göttlichkeit von Jesus Christus würde einen Glaubenskrieg ungeahnten Ausmaßes hervorrufen. Einen Krieg, der das Ende der Kirche bedeutete, für die er ein Leben lang geackert hatte.
Glaube und Lüge
Jerusalem, 1099
„Es gibt keinen Beweis, Juls! Du vertraust einem Mann, der unser Feind ist. Versteh mich nicht falsch, mein Freund, ich folge dir blind, das weißt du. Aber wie soll ich das mit meiner Überzeugung vereinbaren?“, fragte Gabriel und holte das goldene Kreuz hervor, das er an einer Kette unter dem Hemd trug.
Zustimmendes Nicken entfachte die Diskussion.
„Genau. Warum ist er nicht selbst unsterblich, wenn er im Besitz einer solchen Macht ist, wie er behauptet?“, fragte Louis und sah Said vorwurfsvoll an. Er glaubte ihm offensichtlich kein Wort.
„Das stimmt, Julien. Ist nicht seine Frau gestorben? Sag mir, wer würde sein eigenes Weib jämmerlich krepieren lassen, wenn es nur einen Tropfen dieses angeblichen Wundermittels bräuchte, um sie zu retten?“, schloss sich Cruz den Zweiflern an.
„Was muss man tun, um unsterblich zu werden? Es trinken, sich seine müden Knochen damit einreiben? Dann los, gib es mir, denn mich plagen schon seit Monaten Zweifel, ob ich diesen Kriegszug überlebe. Das wäre dann ja damit geklärt!“, rief Arnulf und lachte laut.
Cecil gluckste aufgeregt und knetete sein bunt gemustertes Nachtgewand mit seiner einen Hand. „Gib es mir, gib es mir, Juls, mir musst du es geben!“
Er sprang von einem Bein auf das andere und zupfte an seinem schütteren Haar herum.
„Sieh mich an! Sieh mich an! Es bringt mir bestimmt meinen Arm zurück.“
Er schüttelte Said an dessen breitem Ledergurt, der ihm über die Schulter lief, und reckte dem Heiden seinen Stumpf hin.
„Das tut es doch, oder nicht? Oder nicht?“
Julien verstand nun, warum Said ihn davor gewarnt hatte, seine Männer einzuweihen, aber so schnell gab er nicht auf. Er hielt die Wahrheit in Händen, und egal, was seine Waffenbrüder auch glauben mochten, er spürte um die immense Bedeutung dieses Fundes.
Auch Said schien noch nicht beunruhigt. Er drückte Cecil die gesunde Hand und erhob sich. Jeden einzelnen der Männer sah er an. Sah ihnen in die Augen und brachte sie dadurch dazu, ihn anzuhören.
„Es stimmt. Ich habe meine Frau verloren. Und glaubt nicht, ich hätte nicht alles gegeben, sie zu retten. Wäre es mir möglich gewesen, hätte ich das Elixier eingesetzt, aber dann wäre ich nicht besser gewesen, als all diejenigen, die danach suchen, um es für ihre Zwecke zu missbrauchen.“
Er schritt durch den Raum, während er sprach. Der Wind hatte aufgefrischt, und eisige Wüstenwinde rissen an den Zeltplanen. Die Fackeln flackerten, und die Schatten tanzten, als hätten Saids Worte sie zum Leben erweckt.
„Ich habe bei meinem Seelenheil geschworen, im Sinne der Menschheit zu handeln und die Wahrheit zu verstecken. Und meine Geliebte hat das auch.“
„Warum macht ihr so ein Geheimnis um diesen Unsterblichkeitstrank? Wenn es stimmt, ist das doch ein unfassbarer Fund!“, fragte Louis nachdenklich.
Said nickte.
„Überlege selbst, Krieger. Gib deinem Befehlshaber dieses Elixier in die Hand. Was wird er tun? Es dem Kaiser überlassen? Oder sich selbst zum unsterblichen Kaiser ernennen? Wer will ihn aufhalten, wenn er eine Armee unsterblicher Soldaten anführt? Wer will so einem Mann auch nur einen Wunsch verwehren?“
Lamar nickte.
„Er hat recht. Krieger wie Raimund von Toulouse oder Gottfried von Bouillon, die um Ruhm und Ehre kämpfen und nach Macht und Reichtum streben, könnten gewillt sein, ihre eigenen Interessen durchzusetzen.“
Lamars Augen waren immer noch blutunterlaufen, und die Prellung an seiner Augenbraue hatte sich in den letzten Stunden dunkel verfärbt. Trotzdem sah er wach aus, und sein faszinierter Blick hing an dem Rubin.
„Schön …“, stimmte Gabriel zu, nickte in Lamars Richtung und sah dann Said an, „… nehmen wir also an, es stimmt, was unser heidnischer Freund behauptet. Und nehmen wir weiter an, auch Lamars Einschätzung von Raimund und Gottfried träfe ins Schwarze – sollte dann nicht zumindest Papst Urban II. davon erfahren? Hat nicht jeder Christ, egal, ob Priester, Kardinal oder Papst das Recht, diese vermeintliche Wahrheit über Jesus Christus zu erfahren?“
Cruz und Arjen stimmten Gabriels besonnenen Überlegungen zu, Said aber
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