Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
jetzt 22.45 Uhr.
Thomas und Peter fahren zurück zum König-Heinrich-Platz und säubern den Wagen von ihren Fingerspuren. Wenig später prahlen sie vor den anderen Jugendlichen mit dem, was sie soeben verbrochen haben. Keiner der Anwesenden bedauert Joachim Grauert. Keine Anteilnahme. Es werden keine Bedenken geäußert. Es regt sich kein Widerspruch. Es werden auch keine Vorwürfe laut. Stattdessen unverhohlene Bewunderung für die Mörder. Und alle sind sich einig, die Geschichte für sich zu behalten. Die Hand drauf. Thomas und Peter müssen geschützt werden.
»Grausiger Mord im Wald«, »Verstümmelte Leiche gefunden«, »Bestialische Tat in den Abendstunden«. Die Tageszeitungen der Region haben ihren Aufmacher, und die Mörder haben allen Grund, sich darüber zu freuen. Thomas kommt euphorisiert, lauthals jubelnd und eine Zeitung schwenkend zum Bolzplatz: »Perfekter Mord – immer gut getroffen!« Er liest den entsprechenden Artikel den anderen laut vor. Wieder herrscht allgemeine Begeisterung, die auch noch einige Tage anhält – bis die verhinderte Mörderin und Mitwisserin Chantal Breitkreuz das allgemeine Totschweigen beendet.
Dass Thomas Basler und Peter Brückmann aus reiner Mordlust gehandelt haben, erscheint naheliegend. Denn: »Dieses Merkmal ist gegeben, wenn der Täter aus unnatürlicher Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelt« und es dem Täter darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen, urteilt dazu der Bundesgerichtshof. Das Opfer wird also aus Zeitvertreib, aus Angeberei, aus Mutwillen ermordet, oder aber der Täter empfindet die Tötung als Nervenkitzel bzw. »sportliches Vergnügen«. Kennzeichnend ist auch die grundsätzliche Austauschbarkeit des Opfers. In diesem Zusammenhang drängt sich der Vergleich mit einschlägigen Computer- bzw. Videospielen auf – sogenannten Ego-Shootern –, die einzig darauf angelegt sind, frei von gesellschaftlicher Relevanz und Zweckmäßigkeit möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit zu vernichten. Massenmord per Mausklick.
Die Tötung aus Mordlust unterscheidet sich von anderen Mordmotiven im Sinne des Paragraphen 211 des Strafgesetzbuches dadurch, dass bei ihr der Tod des Opfers der alleinige Zweck der Tat ist. Mit diesem Merkmal sollen insbesondere solche Fälle erfasst werden, bei denen weder ein in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation liegender Anlass noch ein über das Tötungsdelikt hinausgehender Zweck die Tat bestimmt. Mit anderen Worten: Ich töte allein, um zu töten. Und ich habe Spaß dabei. Allerdings sollte »Spaß« bzw. »Freude« nicht mit einem allgemeinen psychopathologischen Zustand gleichgesetzt werden, der in dieser Form nicht existiert und auch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.
Haben die Täter im vorliegenden Fall aus Mordlust gehandelt? Spielten andere Motivationen eine Rolle? Thomas Basler und Peter Brückmann litten jedenfalls nicht unter Geldmangel. Joachim Grauert wurde auch nicht beraubt. Habgier als Motiv scheidet also aus. Auch sexuelle Motive wurden weder vor der Tat geäußert, noch wurden später Missbrauchshandlungen ausgeführt. Wut, Hass oder Rache spielten auch unter Berücksichtigung der intimen Vorbeziehung zwischen Joachim Grauert und Thomas bei der Tat ebenfalls keine Rolle, weil das Opfer innerhalb der Gruppe der Jugendlichen insbesondere wegen seiner Umgänglichkeit und Freigiebigkeit allgemein als »netter Kerl« galt. Es ging den Tätern allein darum, einen Menschen zu töten, seine Existenz auszulöschen, sich am Sterbevorgang zu berauschen. Peter jedenfalls fand das einfach nur »geil«. Ein Fall wie aus dem juristischen Lehrbuch, zumal Joachim Grauert als Opfer austauschbar erscheint. Wäre er nicht verfügbar gewesen, hätte man ein anderes Opfer ausgeguckt, wahrscheinlich einen x-beliebigen »Homo« bzw. jemand aus einer anderen sozialen Randgruppe.
Auch wenn das Motiv der Mordlust zwanglos und plausibel hergeleitet werden kann, erscheint dieser Fall weniger geeignet, um nach der Ursache für das »großartige Gemetzel« zu fragen.
Zugegeben: Thomas Basler und Peter Brückmann haben sich durch ihr unstetes und undiszipliniertes Verhalten in eine soziale Außenseiterposition manövriert, sie ignorieren elterliche und schulische Autoritäten, erscheinen demotiviert, derangiert und deplaziert, zeigen kaum Eigeninitiative, vernachlässigen ihre Berufsausbildung, lassen erhebliche Persönlichkeitsdefizite erkennen, insbesondere
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