Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
die Frau noch unter körperlicher Kontrolle?«
»Nein.«
»Sie haben sie also nicht zum Wasser geführt?«
»Nein. Erst als wir am Bach waren, habe ich sie in Richtung Wasser geschubst.«
»Hat die Frau etwas gesagt?«
»Nein.«
»Hat die Frau in dieser Situation geweint?«
»Kann sein.«
»Hatte die Frau immer noch Angst vor Ihnen?«
»Auf alle Fälle.«
»Wie ging es dann weiter?«
Der Beschuldigte erzählt, er habe Johanna Brauer »befohlen«, sich das Gesicht abzuwaschen, weil überall »ekliges Blut« gewesen sei. Die Frau habe ihm aber nicht leidgetan, versichert Udo Gassen auf Nachfrage der Beamten.
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich bin von hinten auf sie zu. Dann haben wir beide bis zu den Knien im Wasser gestanden.«
»Nutzten Sie nun die Arglosigkeit der Frau aus, die sich bückte, um sich das Gesicht zu waschen?«
»Ja.«
»War die Frau Ihnen gegenüber wehrlos?«
»Ja.«
»Nutzten Sie diese Wehrlosigkeit aus?«
»Offensichtlich.«
»Was passierte dann?«
Udo Gassen schaut den Beamten jetzt nicht mehr in die Augen, sondern auf den Boden. Und schweigt. Es dauert einige Minuten, bis er berichtet, dass er Johanna Brauer mit beiden Händen von hinten am Nacken gepackt und ihren Kopf unter Wasser gedrückt habe.
»Wie lange ging das so?«
»Bis sie sich nicht mehr bewegt hat.«
»Haben Sie das Opfer nach dem Ertränken liegenlassen, oder haben Sie noch andere Sachen gemacht?«
»Ich habe sie wieder ausgezogen. Die Kleidung habe ich im Bereich der Böschung weggeschmissen, irgendwo da am Waldrand. Und den Rest wissen Sie aus dem medizinischen Bericht, nehme ich an.«
»Bitte schildern Sie das mit eigenen Worten!«
»Nein, mache ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil es mir unangenehm ist.«
»Dürfen wir davon ausgehen, dass die an der Leiche festgestellten Manipulationen von Ihnen kommen?«
»Ja.«
»Wie lange waren Sie mit dem Leichnam noch zusammen?«
»Vielleicht 15 Minuten.«
»Warum haben Sie das Mädchen getötet?«
»Darauf kann ich nicht antworten.«
»Das glauben wir Ihnen nicht. Was war Ihr Motiv?«
»Was mein Motiv von Anfang an war, kann ich nicht sagen.«
»In was für einer Stimmungslage befanden Sie sich, als Sie die Frau angriffen?«
»Ich weiß nicht, in was für einer Stimmung ich war. Wahrscheinlich war ich nicht gut drauf.«
»Wie fühlen Sie sich jetzt?«
»Auf der einen Seite erleichtert, auf der anderen Seite ewig traurig.«
Udo Gassen hat, dies wird sich später herausstellen, in allen Punkten die Wahrheit gesagt, nur als er die innere Tatseite schildern und seine Beweggründe preisgeben soll, hat er wie ein Pferd den Mauersprung verweigert, weil es dem Reiter genau in diesem Moment misstraut. Es sind nicht die Vernehmungsbeamten gewesen, die ihn gestört haben, sondern die Protokollant in.
Der psychiatrische Gutachter hingegen ist ein Mann mit viel Berufserfahrung und Udo Gassen ein Proband, der drei Monate später bereit ist, unter diesen Bedingungen sein Innerstes nach außen zu kehren. Es gibt keine Tabus. Nun beginnt über Wochen hinweg eine Spurensuche im Leben des Serienmörders. Dabei kann der Experte für die Abgründe der menschlichen Seele auch auf die Ermittlungsergebnisse der Kripo zurückgreifen.
Elternhaus
Zu Hause wurde er in den ersten Jahren überwiegend von seinem Vater geschlagen, meistens gab es Ohrfeigen, hin und wieder waren es auch der Teppichklopfer oder die Reitpeitsche, die er zu spüren bekam. Allerdings war er schon als kleines Kind ein richtiges Schlitzohr, das genau das Gegenteil von dem getan hat, was ihm vorgeschrieben und von ihm erwartet wurde. Die Mutter erzählte dem Vater regelmäßig von den Verfehlungen des Sohnes. Er fühlte sich von ihr verraten. Der Vater war dafür zuständig, die Strafe zu vollstrecken. Gassen fühlte sich ungerecht behandelt. »Es gibt keinen Grund, Kinder zu schlagen«, sagt er dem Protokollanten. Auch der ältere Bruder musste Prügel einstecken, aber Udo Gassen fühlte sich wesentlich häufiger als Leidtragender: »Ich war der Rabe in unserer Familie.«
Die Mutter erlebte er als streng und kalt. Sie habe ihn »nie leiden können«, er war immer der Überzeugung, ein unerwünschtes Kind zu sein. Der Vater war bis zu seinem zehnten Lebensjahr berufsbedingt selten zu Hause, zeigte kaum Interesse für die Familie, war »ein echter Kampftrinker«. Als die Ehe der Eltern scheiterte, ließ die Mutter ihren Sohn zurück. »Dich will ich nicht haben, du machst nur Probleme. Bleib bei
Weitere Kostenlose Bücher