Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
deinem Vater«, soll sie zu ihm gesagt haben. Seitdem hatte er keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter. Einerseits sei der Weggang der Mutter für ihn unbegreiflich gewesen, andererseits habe er sich gefreut. »Endlich war die weg.«
Nach der Scheidung führte er eine intensive und gute Beziehung zu seinem Vater. Zwischen dem zwölften und vierzehnten Lebensjahr habe sich der Vater intensiv um ihn bemüht, ihm viel beigebracht: Fußballspielen, Schwimmen, Judo, Angeln. Er vertraute seinem Vater, er war sein Vorbild. »Als ich in der Schule immer schlechter wurde und die Klauereien losgingen, bekamen wir Probleme.« Richtig zum Bruch kam es allerdings erst, als er dem Vater den von ihm begangenen Mord beichtete.
Schule und Beruf
Im Laufe der Zeit wurde die Schule »ein zunehmender Horror«, er bemühte sich nicht ausreichend und blamierte sich mit seinem Unwissen vor der Klasse. Er schwänzte die Schule zwar nicht, war aber trotzdem häufig nicht anwesend: »Ich habe so getan, als wäre ich krank.« Nur die Mutter durchschaute seine Täuschungsmanöver schließlich doch und schrieb keine Entschuldigungen mehr: »Dann bin ich einfach nicht mehr hingegangen.«
Eine Klassenlehrerin berichtet über ihren ehemaligen Schüler, dass er sehr unsicher war, wenig selbstbewusst, bei Konflikten herumschrie und lange Zeit benötigte, bis er sich dazu durchringen konnte, ein klärendes Gespräch zu führen. Er wurde als kontaktscheu wahrgenommen, eher introvertiert, nachtragend, rauchte stark. An Mädchen traute er sich kaum heran, ihnen gegenüber war er sehr unsicher und recht naiv.
Udo Gassen erzählt dem Psychiater, dass er einmal sitzenblieb, dann aber »die Kurve gekriegt« habe. Diese Leistungssteigerungen dürften auf das verbesserte Verhältnis zu seinem Vater zurückzuführen sein, der ihm auch ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln konnte. Insgesamt aber war er ein bestenfalls durchschnittlicher Schüler. Nach der Realschule absolvierte er eine Lehre zum Radio- und Fernsehtechniker, danach wurde er von seinem Lehrherrn übernommen.
Arbeitskollegen berichten der Kripo, Udo Gassen sei mitunter hektisch und gedankenlos, reagiere empfindlich auf Kritik, lasse sich ungern verbessern, sei unnahbar und gelegentlich geheimnisvoll, auch habe er anderen deutlich gezeigt, wenn ihm etwas gegen den Strich gegangen sei. Andererseits habe er für seinen Beruf gelebt, sei zäh, kräftig, zupackend und habe auch zumindest phasenweise Durchhaltevermögen erkennen lassen.
Sozialverhalten
Er wusste nichts mit seiner Freizeit anzufangen, ihm fiel oft die Decke auf den Kopf. Er brauchte Menschen um sich, war aber zu schüchtern, um sich zu öffnen. Die meiste Zeit verbrachte er alleine. Er war wohl ein typischer Einzelgänger, jedenfalls hatte er nie einen richtigen Freund. Hin und wieder kam er mit Literatur in Berührung, eher zufällig, beispielsweise las er »Das Schweigen der Lämmer« oder »Die Brücke über die Drina«.
Kriminelle Karriere
Mit 13 Jahren kam er erstmals mit der Polizei in Kontakt, weil er Mofas oder Fahrräder klaute, im Grunde nahm er alles mit, »was irgendwie zu gebrauchen war«. Damit konnte er nicht aufhören, bis heute nicht. Er fühlte sich dabei auch stets wohl. Bei den Diebstählen und Einbrüchen war er meist alleine. Bei Einbrüchen trieben ihn die Neugier und der Reiz des Verbotenen: »Ich kam mir schlauer vor als die anderen. Das war ein richtiger Kick für mich, dieser Adrenalinstoß.«
Er findet es auch interessant, davon leben zu können. Entscheidend für ihn ist aber das Gefühl, das er dabei spürt: »Ich habe das einfach gebraucht. Das hat mir unheimlich Spaß gemacht.« Nicht die kriminelle Handlung an sich war von entscheidender Relevanz, sondern die beabsichtigte Grenzüberschreitung: »Alles, was verboten ist, macht Spaß.«
Sexualität
Er hatte niemals Probleme, erzählt Udo Gassen. Mit 14 Jahren kam es zum ersten Geschlechtsverkehr, seitdem hatte er verschiedene sexuelle Kontakte, nur keine mit Männern. Zweimal war er über einen längeren Zeitraum mit einem Mädchen liiert, die letzte feste Beziehung liegt drei Jahre zurück.
Im Alter von 16 oder 17 Jahren entwickelte er erstmals aggressive Sexualphantasien: »Ich habe kapiert, dass es mir richtig was gebracht hat, wenn ich Frauen beherrschen konnte.« Er stellte sich vor, in seiner Wohnung eine Sklavin halten zu können, die ihm ausgeliefert ist und mit der er alles machen kann. »Das wäre ideal gewesen«, sagt er
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