Aus reiner Notwehr
gut, Mama”, flüsterte sie ihr zu. “Bleib nur still liegen. Wir bringen dich gleich ins Krankenhaus.”
Victorias Lider zuckten; sie öffnete benommen die Augen und ergriff die Hand ihrer Tochter. “Kate, Ich möchte … Ich muss …”
“Nicht sprechen, Mama, bitte!” Sanft drückte Kate die wächsernen Finger ihrer Mutter, lächelte ihr zu. “Du hast dir zu viel zugemutet; die ganze Zeit an Leos Bett gewacht, dann diese schrecklichen Erinnerungen. Das vergisst du jetzt alles, Mama. Dann bist du bald wieder auf den Beinen.”
“Zu spät …” Ihre Lider flatterten, unruhig warf sie den Kopf hin und her. “Leo muss …”
Amber kam mit der Tasche, übergab sie Kate und wählte dann mit fliegenden Fingern die Notrufnummer, während Kate das Stethoskop anlegte. “Sie sollen sich beeilen!”, rief sie Amber zu. Beklemmung stieg in ihr auf. Sie fühlte, wie ihre Mutter ihr entglitt, ihr unter den Händen zu sterben drohte.
“Sind in zehn Minuten da.” Amber kniete neben Kate nieder, nahm Victorias Hand, küsste die Fingerspitzen, drückte sie an ihr Herz, sah ihre Freundin mit einem fragenden, angstvollen Blick an.
“Amber, du weißt noch nicht, wie krank sie wirklich ist. Der Krebs hat sich ausgebreitet. Es musste früher oder später so kommen.”
Kate starrte auf das stille, wächserne Antlitz ihrer Mutter, streichelte ihre Wange, wisperte ihren Namen. Doch Victoria hörte sie nicht mehr.
35. KAPITEL
S tephen lag auf dem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, starrte an die Decke, unter der sich die Rotoren des Ventilators drehten, und öffnete oder schloss gleichzeitig mit jedem vollendeten Kreis die Augen, so, als wollte er sie mitten in der Bewegung anhalten, wie man mit der Pausentaste ein Videoband stoppt. Manchmal machten ihm solche unsinnigen Dinge Spaß – sie halfen, wenn man eigentlich nachdenken musste, es aber nicht wollte.
Heute kam er allerdings ums Denken nicht herum.
Aus dem CD-Spieler tönte schon zum x-ten Mal dasselbe Stück, ein Song, in dem es um Sex und Selbstmord ging, irgendso ‘n makabres Zeugs, nichts Gescheites – wer wollte sich schon aus verschmähter Liebe umbringen? Nach dem Tod blieb nichts mehr, schon gar nicht Sex, und etwas Besseres als Sex vermochte er sich kaum vorzustellen. Das war so ungefähr das Einzige, was er mit seinem Alten gemeinsam hatte, nur kapierte der in seiner Dummheit nie, dass er zu Hause etwas besaß, was tausend Mal besser war als die blöden Tussis, mit denen er sich dauernd abgab. Stephen verzog angewidert die Lippen. Als ob man Dekes ordinäre Flittchen mit einer Dame wie Amber vergleichen konnte!
Er rollte sich vom Bett herunter und stand auf. In letzter Zeit war es aber auch knüppeldick gekommen, und dabei hatte er immer geglaubt, bessere Zeiten würden anbrechen, wenn sein Alter endlich abkratzte! Blödsinn, so etwas bewies nur, wie völlig daneben man mit seinen Gedanken und Plänen liegen konnte. Nun hatte es Deke tatsächlich erwischt, und was kam dabei heraus? Die ganze bescheuerte Welt stand auf dem Kopf: Leo ‘nen Herzinfarkt vor lauter Aufregung, Victoria auch schon mit einem Bein im Grab, und jeden Moment musste man damit rechnen, dass Amber ‘ne Mordanklage an den Hals kriegte, und das war das Allerschlimmste. Stundenlang hatte er hin und her überlegt, sich den Kopf zerbrochen und nach Möglichkeiten gesucht, die Bullen von ihr abzulenken. Verdammt noch mal, dabei hätte er’s glatt für sie getan und ihn umgelegt! Sie hätte nur zu fragen brauchen!
Gerade hatte er die CD gestoppt und wollte eine neue Scheibe einlegen, als die plötzliche Stille von Motorengeräusch unterbrochen wurde. Sein Herz tat einen Sprung. Kam Amber endlich nach Hause? Er linste durch die Lichtblenden vorm Fenster und sah zu seinem Entsetzen, dass ein Polizeiwagen in die Einfahrt bog. Und wenn sie nur wenden wollten? Er hielt den Atem an, vergaß die CD. Vielleicht hatten sie sich ja in der Hausnummer geirrt! Ja, wenn, vielleicht!
Beim Ton der Haustürklingel warf er die CD hin und lief die Treppe hinunter. Es waren zwei, das erkannte er durch die facettierte Glasscheibe, Pamela LaRue und der andere, dieses “Barney Fife”-Imitat. Mit dem würde er schon fertig, aber vor der LaRue, einer nach Aussage von Santana erstklassigen Kriminalbeamtin, hatte er gehörigen Bammel. Er schloss auf, öffnete die Tür aber nur einen Spalt breit. Schließlich gab’s kein Gesetz, wonach man die Polizei einfach so ins Haus lassen musste!
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