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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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wollten Amber sprechen.
    “Nicht da”, sagte Stephen. “Keine Ahnung, wo sie ist.”
    Pamela reichte ihm eine kleine weiße Karte durch den Türspalt. “Gibst du ihr das, bitte? Sie möchte sich melden, wir haben ein paar Fragen.”
    “Was für Fragen? Sie hat doch schon alles ausgesagt! Wenden Sie sich an ihren Anwalt! Warum tanzen Sie hier einfach an? So ganz ohne Voranmeldung und Termin?”
    Sloan feixte und stemmte die Hände auf seine mageren Hüften. “Hören Sie sich das an, Pam! Der Bursche hat ‘nen schlimmeren Juristenjargon drauf als ein echter Advokat.”
    Pamela ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. “Bestell ihr bitte, dass sie sich bei uns melden soll, ja, Stephen?” Er sah zu, wie sie zum Wagen zurückgingen und abfuhren, und seine Hand mit dem weißen Kärtchen zitterte.
    Amber stahl sich aus Victorias Krankenzimmer und eilte über den Flur in Richtung Aufzug, neben dem mehrere Münzfernsprecher in einer Wandnische angebracht waren, alle frei, wie sie erleichtert feststellte. Sie wählte rasch eine Nummer und blickte auf ihre Armbanduhr. Im Allgemeinen nahm er um diese Zeit immer mit seinem Sohn das Mittagessen ein. Darauf legte er großen Wert. Vielleicht hatte sie Glück und erwischte ihn.
    Er meldete sich beim ersten Ton. “Nick, ich bin’s, Amber!”
    “Tag, Amber”, sagte er, und seiner Stimme klang so kalt und abweisend, dass sie zusammenfuhr. “Nick, ich rufe hier aus dem Krankenhaus an. Aber ich musste dauernd an dich denken.”
    “Wie geht’s Leo?”
    “Besser. Er verbringt jede freie Minute bei Victoria.”
    “Ja, ich habe davon gehört. Kate ist sicher sehr bestürzt.”
    “Das sind wir alle. Und als ob ich nicht ohnehin schon genug Probleme am Hals hätte, fühle ich mich jetzt auch noch für Victorias Zusammenbruch verantwortlich.”
    “Verantwortlich? Wieso?”
    “Nun, ich hatte mich so aufgeregt über unser Gespräch, über dich, und da bin ich zu ihr hinübergegangen. Du hast mir ja deutlich zu erkennen gegeben, was du von mir hältst, und ich musste mich einfach jemandem anvertrauen. Später kam Kate hinzu, und Victoria hat uns gebeichtet, wie damals beim Untergang der Yacht ihr Mann und meine Mutter ums Leben kamen. Es hieß immer, sie seien ertrunken, aber für John Madison gilt das nicht, Nick. Sie hat ihn umgebracht.”
    “Wer? Victoria? Victoria hat ihren Mann getötet?”
    “Erschossen! Eine absolut unglaubliche Story, kein Mord, sondern Notwehr im Zuge einer heftigen Auseinandersetzung zwischen John Madison und meinem Vater, der Victoria vor ihrem eigenen Mann schützen wollte. Und nachdem sie uns das alles offenbart hatte, brach sie zusammen.”
    “Merkwürdige Geschichte!”
    “Kann man wohl sagen! All die Jahre hat sich Kate kaum an jenen Tag erinnern können, und plötzlich war alles wieder da. Mit einem Schlage!”
    “Hört sich nach einer kurzweiligen Stunde an.”
    Amber schloss die Augen und ließ ihre Stirn gegen das kühle Metallgehäuse des Telefons sinken. “Nick”, flüsterte sie, und ihre Stimme klang leise, tief, niedergeschlagen. “Nick, ich weiß, du verachtest mich für das, was ich getan habe.”
    Er sagte keinen Ton.
    “Wir müssen uns unbedingt treffen, Nick!”
    “Ich habe augenblicklich viel um die Ohren, Amber.”
    “Nick, stoß mich nicht weg! Ich brauche dich jetzt wirklich! Verlass mich nicht! Victoria ist krank, und Daddy … er hat doch andere Sorgen! Wenn du mich nun auch noch im Stich lässt, was soll dann aus mir werden?”
    “Ich bin dein Anwalt. Ich lasse dich nicht hängen.”
    “Aber du würdest es gern tun!”
    Er seufzte. “Ich überprüfe gerade alle Anhaltspunkte. Weit bin ich noch nicht gekommen! Der Fall ist verdammt kompliziert. Wenn du mit meiner Arbeit nicht einverstanden bist, besorg dir ruhig einen anderen Verteidiger.”
    Seine deutlich wahrnehmbare Frustration erschien ihr wie ein Hoffnungsschimmer. Wenn ihm noch so sehr an ihrer Verteidigung lag, konnte er sie doch unmöglich hassen! “Ich will keinen anderen!”, rief sie in den Hörer. “Das weißt du doch! Du musst mir helfen, meine Unschuld zu beweisen, und ich will, dass wir Freunde bleiben.” Sie wickelte das Telefonkabel um die Finger und verlieh ihrer Stimme eine noch dunklere Schattierung. “Mehr als nur Freunde! Nick, du bist doch mehr als nur mein Anwalt. Hat der vergangene Samstag das nicht gezeigt?”
    “Diesen Samstagabend betrachte ich als Fehler, Amber. Ich halte es für unklug, wenn die persönliche Dimension überhand

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