Aus reiner Notwehr
“So, da wären wir. Nick, du kommst genau richtig. Officer LaRue möchte mich noch ein wenig vernehmen.”
“Was gibt’s, Pamela?”, fragte Nick und stützte die Hände in die Seiten. “Meine Mandantin wird Fragen ausschließlich im Beisein ihres juristischen Vertreters beantworten. Und der bin ich. Also – um was geht es?”
Falls Pamela verärgert war, ließ sie es sich nicht anmerken. “Chief Escavez lässt Mrs. Russo durch mich bitten, ihn auf dem Revier aufzusuchen.” Als Nick ins Geschirr ging und zornig aufbegehren wollte, fügte sie eilig hinzu: “Es liegt kein Haftbefehl vor. Ich hatte gehofft, sie würde freiwillig mitkommen.”
“Mit welcher Begründung, Pam?”, fragte Nick irritiert.
Pamela sah ihn an. “Willst du ihr abraten?”
“Allerdings. Es sei denn, du kannst einen vernünftigen Grund vorbringen.”
“Wieso, Nick? Hat sie etwas zu verbergen?”
“Nick …” Amber zupfte zögerlich an seinem Ärmel. “Vielleicht sollte ich doch hingehen. Aber nur, wenn du mich begleitest.”
Nick schaute sie an, blies die Wangen auf und pustete die Luft aus. “Mach schon, Pamela, wie lautet die Anklage?”
“Es gibt keine, Nick. Wir hoffen lediglich auf ein paar Informationen.”
“Geht das denn?”, wollte Amber wissen.
“Ja, das können sie durchaus machen”, entgegnete Nick knapp. “Ist im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zwar nicht immer das Klügste, aber rein rechtlich spricht nichts dagegen.” Immer noch schaute er Pamela an. “Dreimal darf ich wohl raten, wem wir diesmal diese Schnapsidee zu verdanken haben.”
“Sloan. Der Chief war einverstanden.” Pamela spreizte die Hände in einer Geste der Resignation, worauf Nick die Augen verdrehte.
Pamela wandte sich wieder Amber zu. “Es liegt gewiss in Ihrem eigenen Interesse, wenn Sie sich fügen, Mrs. Russo. Selbstverständlich bestehen keine Einwände, wenn Nick … wenn Ihr Anwalt zugegen ist.”
“Mrs. Russo erscheint nur unter Protest”, bemerkte Nick. “Dieser Knallkopf hat nicht das kleinste Fitzelchen Beweis. Der stochert im Dunkeln herum, weiter nichts! Na gut, wir kommen”, knurrte er widerwillig. “Aber ich fahre! Sag dem Knilch, wir sind in einer Stunde da.”
“Mein Auftrag lautet, sie persönlich zur Wache zu geleiten. Und zwar unverzüglich”, erwiderte Pamela mit ruhiger Stimme.
“In Handschellen womöglich?”, sagte Nick herausfordernd. “Besorg doch noch die Fußketten aus der Mottenkiste!” Er hob beschwichtigend die Arme. “Ich weiß, ich weiß, Pamela, du kannst nichts dafür.” Dann legte er Amber die Hand auf den Arm. “Ich fahre direkt hinter dir. Alles klar?”
Unvermittelt drängte sich Stephen an Amber vorbei und baute sich vor Pamela auf. “Das dürfen Sie nicht! Das ist ein Irrtum! Amber hätte meinen Vater niemals getötet! Sie war’s nicht!” Er warf Nick einen verzweifelten Blick zu. “Bis zum Beweis der Schuld hat man als unschuldig zu gelten, oder? Was soll das alles dann?”
“Mach dir keine Sorgen, Stephen”, brummte Nick, aber ein grimmiger, düsterer Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
“Deine Stiefmutter hat nichts zu befürchten”, fügte Pamela hinzu und ergriff Amber am Ellbogen. “Du musst dich nicht ängstigen.”
“Sie war’s aber doch nicht!”, rief Stephen vom Treppenabsatz, während Amber die Stufen hinunterging, dabei ins Straucheln geriet und von Nick aufgefangen wurde. Er sah zu, wie Nick sie zum Einsatzfahrzeug begleitete, wie Pamela wendete und abfuhr, und durch das Rückfenster konnte er erkennen, dass Nick und Amber eng nebeneinander saßen und dass Amber weinte.
Als sie außer Sicht waren, lehnte er die Stirn gegen einen hölzernen Stützpfosten des Vordachs und überließ sich dem Schmerz, der in ihm tobte.
Der Vernehmungsraum der Polizeihauptwache von Bayou Blanc war nicht mehr als ein besserer Schuhkarton von vier Quadratmetern Fläche. Etwa eine Stunde lang mühte sich Sloan mit seinen plumpen und umständlichen Verhörmethoden ab, dann hatte Nick die Nase voll und konnte Chief Escavez nach vielem Hin und Her davon überzeugen, dass es auch nicht den geringsten Anlass gab, seine Mandantin weiter festzuhalten, da die Befragung keinerlei Hinweise ergeben hatte.
“Mein Gott, Pamela, ist das ein Volltrottel!” Schäumend vor Wut stiefelte Nick auf dem Flur hin und her, während er auf Amber wartete. Pamela reichte ihm eine Tasse Kaffee. “An der Schuld deiner Mandantin gibt’s für ihn keinen Zweifel”, erklärte sie, “und er
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