Aus reiner Notwehr
hat offenbar nicht die Absicht, sich von seiner Sicht des Falles abbringen zu lassen, ob sie nun stimmt oder nicht.”
Nick sah sie scharf an. “Käme für dich noch ein anderer Verdächtiger in Frage?”
“Ich war von Amber Russos Schuld nie überzeugt. Das weißt du genau.” Pamela schaute nachdenklich in ihren Kaffee. “Nick, hattest du schon mal mit einem Fall zu tun, zu dessen Lösung dir nur noch ein Stichwort fehlt, und es liegt dir auf der Zunge, aber es fällt dir einfach nicht ein? Eine Art Schlüssel zu dem Geheimnis, der dir geradezu vor der Nase baumelt?”
“Jeder Kriminalbeamte kennt solche Fälle, Pam. Liegt in der Natur der Sache.”
Sie lachte kurz auf. “Toll! Berufsrisiko also, hat nicht unbedingt viel zu bedeuten, was?”
“Das habe ich nicht gesagt. Ist durchaus vorgekommen, dass ich Fälle durch ein unbestimmtes Gefühl oder eine Ahnung, durch einen sechsten Sinn geknackt habe. Andererseits nutzten diese vagen Eingebungen aber oft auch nicht das Geringste.”
Pamela stützte sich auf eine Arbeitsplatte. “Das fehlende Bindeglied schwebt direkt vor meiner Nase, aber es will mir einfach nicht einfallen!” Sie blickte zu Boden. “Ich habe Deke Russos Leben in allen Einzelheiten untersucht, das Obere zu unterst gekehrt. Und so viele Geheimnisse er auch gehabt haben mag – keines davon rechtfertigt einen Mord.”
“Vielleicht wusste er seinerseits um die Heimlichkeiten einer anderen Person”, gab Nick zurück, und plötzlich merkte er, wie dieser Gedanke sich festsetzte. So manches Geheimnis erwies sich oft letzten Endes als tödlich. Er berichtete Pamela von Ambers Enthüllungen bezüglich des Jahre zurückliegenden Yachtunfalls, die ihm noch frisch in Erinnerung waren, wurde aber durch den Polizeibeamten an der Anmeldung unterbrochen.
“Telefon für Sie, Santana. Ihr Sohn!”
Nicks Gesicht verdüsterte sich. Codys Anruf konnte nur bedeuten, dass etwas Wichtiges vorgefallen sein musste; er hätte ihn sonst nicht behelligt. “Du kannst ihn an meinem Schreibtisch entgegennehmen”, bot Pamela an und wies auf ihren durch Stellwände abgeteilten Arbeitsplatz, der sich von den übrigen durch Übersichtlichkeit und Ordnung wohltuend abhob. Nick nahm ab.
“Dad, ich bin’s!”
Augenblicklich erfasste Nick die Gespanntheit in der Stimme seines Sohnes und wandte den neugierigen Augenpaaren im Wachraum den Rücken zu. “Was liegt an, Sohnemann?”
“Stephen hat mir befohlen, dich anzurufen.” Codys Stimme schwankte.
“Stephen?” Unwillkürlich glitt Nicks Blick zu Pamela. “Ich befinde mich mit seiner Stiefmutter hier bei der Polizei. Möchte er ihr eine Nachricht übermitteln?”
“Ich weiß nicht recht …” Cody holte tief Luft und sprach dann hastig weiter. “Dad, wahrscheinlich wirst du’s nicht glauben, aber …”
Nick konnte deutlich die Begleitgeräusche eines kurzen Handgemenges und dann Stephens wütenden Kraftausdruck vernehmen. Die Sache wurde ihm unheimlich, und seine Stimme nahm einen scharfen Ton an. “Cody, was ist da bei euch los?”
“Santana? Hier spricht Stephen!” Der Junge versuchte, seine Unsicherheit zu überspielen, indem er mit einer gehörigen Portion Großspurigkeit auftrat. “Ich hab hier die Kanone von meinem Alten. Cody durfte Sie zwar anrufen, aber von jetzt an rede ich! Geben Sie mir mal sofort jemanden von der Polizei, aber auf keinen Fall diese Witzfigur von Sloan. Vielleicht die LaRue.”
Nick spürte, wie sein Herzschlag gegen die Rippen wummerte. Ein erster Instinkt gebot ihm, den Hörer fallen zu lassen. Schon seit Tagen war ihm bewusst, wie verzweifelt und todunglücklich der Junge sein musste, und jetzt geriet sein eigener Sohn in höchste Gefahr, weil er, sein Vater, zu langsam reagiert hatte. Er atmete tief durch und bemühte sich, kühlen Kopf zu bewahren.
“Wozu brauchst du eine Waffe, wenn du nur mit jemandem sprechen willst? Tu sie weg, bevor ein Unglück passiert, und Pamela wird sich gern mit dir unterhalten.”
“Sie sollen Amber freilassen. Sie hat ihn nicht umgebracht. Ich war’s!”
In Nicks Vorstellung gab es mittlerweile ein sehr neues, sehr genaues Bild von Deke Russos Mörder, und dieser Junge entsprach ihm in keiner Weise. “Stephen, jetzt hör mir mal genau zu. Amber befindet sich auf freiem Fuß. Sie wird gerade von Chief Escavez entlassen.” Er musste die aufkeimende Panik in seiner Stimme mit Macht unterdrücken. “Was du da jetzt veranstaltest, ist völlig überflüssig.”
“Sie lügen!
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