Aus reiner Notwehr
Bayou Blanc. Genervt streifte er ein T-Shirt über, zwängte sich in seine abgeschnittenen Jeans und beförderte, bevor er das Zimmer verließ, die ausgezogenen Sachen mit einem wütenden Fußtritt in eine Ecke. Er knallte die Haustür hinter sich zu, und es war ihm piepegal, ob sie ihn hören und sauer sein würden.
Nicht sie, sondern er. Deke, sein Vater. Ha, ha. Er betrachtete ihn gar nicht mehr als seinen Vater. Für ihn war er nur noch “der Arsch”. Ein echtes Super-Ober-Arschloch allererster Güte. Nur ein Arsch konnte sich so benehmen wie sein Alter. Heiliger Bimbam, was sollte Ambers Freundin bloß denken? Deke hatte ein paar intus, na gut, aber er, Stephen, kannte ‘zig Leute, die tranken, und zwar ‘ne ganze Menge, und sie verhielten sich dennoch nicht wie großmäulige Schwafelköpfe, wurden nicht zu groben, ungehobelten, gemeinen Arschlöchern. Dabei hatte Deke doch alles: eine attraktive Ehefrau, einen tollen Job, und die Leute schauten zu ihm auf – aber sie kannten ihn ja auch nicht. Für sie war er nur der Typ im Talkradio – der Guru aller konservativen Kräfte von New Orleans.
Im Radio, da konnte er den Zampano spielen, die Stimme der Tradition, der Familie, der Werte, den Kämpfer für den einfachen, anständigen Amerikaner, den letzten echten Verfechter des “American Way” – und das beinhaltete nach der Logik seines Alten auch das Recht, ein riesiges, bescheuertes Arsenal von Tod bringenden Waffen zu besitzen und vor aller Augen damit herumzufuchteln. Man konnte das kalte Kotzen kriegen! Das alles hätte sich gerade noch ertragen lassen, aber wie er mit Amber umsprang, das ging ihm langsam gewaltig auf den Keks, das guckte er sich bestimmt nicht mehr lange an.
Er ballte die Hände in den Hosentaschen und trat frustriert einen Tannenzapfen über die Straße. Wenn er ein bisschen älter wäre, oder ein bisschen größer oder stärker, dann würde er mal ordentlich auf den Putz hauen. Amber hatte so eine Behandlung nicht verdient, verdammt noch mal, Deke war schließlich ihr Mann! Das gab’s in keiner anderen Familie, dass der Vater sich so benahm! Er traute sich überhaupt nicht zu erzählen, was bei ihm zu Hause hinter verschlossenen Türen manchmal vorging, und Amber würde sich eher die Zunge abbeißen, als darüber zu sprechen.
Er trat von der Bürgersteigkante auf die Fahrbahn.
“He, pass auf!”, brüllte jemand.
Er hörte noch ein schrilles Kreischen, und als er die beiden Radfahrer bemerkte, war es schon zu spät; er stolperte rückwärts, ein Vorderrad erwischte ihn an der Hüfte, und er schlug der Länge nach krachend aufs Kreuz. Die Radfahrerin hatte noch vergebens auszuweichen versucht, verlor aber die Kontrolle über ihr Gefährt, segelte über den Lenker, legte eine Bauchlandung hin und kam mit den Händen voran auf.
“Ach du Scheiße!” Ihr Begleiter sprang von seinem Rad und hastete zu ihr. “Alles okay, Mallory? Mensch, sieh dir deine Hände an! Total aufgeschrammt!” Er wandte sich wutentbrannt zu Stephen um. “Guck dir das an, du Penner! Latschst hier durch die Gegend, glotzt Löcher in die Luft und rennst die Leute über den Haufen! Pass doch auf, wo du hinläufst, Mann!”
“Tut mir leid, Mensch!” Stephen zog eine Grimasse und stand vorsichtig auf. Sein Ellbogen und seine Hüfte taten höllisch weh. Er sah das verunglückte Mädchen schuldbewusst an und kam sich ausgesprochen dämlich vor. “Bist du verletzt? Ich habe dich einfach nicht bemerkt.”
“Weil du nicht aufgepasst hast, Alter!” Der Junge wandte sich wieder dem Mädchen zu, und sein Ton verriet aufrichtige Sorge. “Los, Mallory, wir gehen rein und verarzten deine Hände. Dad ist zu Hause, der kann ganz gut mit einem Erste-Hilfe-Kasten umgehen.”
“Halb so wild, Cody. Ist fast nur Dreck.” Sie klopfte sich behutsam Staub und Straßensplitt von den Händen und vom Hosenboden, wobei sie Stephen ansah. “Nichts passiert? War ‘n ganz schöner Rumms!”
“Ach, nicht so schlimm”, log er und verlagerte sein Körpergewicht auf das unverletzte Bein. “Ich hab selber Schuld, wenn ich einfach so auf die Straße laufe. Gut, dass ihr nicht auf ‘ner Harley hier langgedröhnt seid!” Er grinste.
Ihr Lächeln verlieh ihrem Gesicht einen weichen und hübschen Ausdruck, auch wenn sie ihn mit einer gewissen Neugier musterte. “Du kommst mir irgendwie bekannt vor.”
“Wahrscheinlich sehe ich meinem Vater ähnlich. Deke Russo, der mit der Talkshow.”
“Mensch, ja, stimmt! Du siehst
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