Aus reiner Notwehr
Dank für alles, Dr. Madison. Hoffentlich sehen wir uns unter glücklicheren Umständen einmal wieder!”
“Das hoffe ich auch”, sagte Kate und schüttelte ihr die Hand. “Und bitte, sagen Sie Kate zu mir.”
“Gern, Kate.” Sie steckte ein kleines, in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch ein. “Das darf ich nicht vergessen. Ich muss noch meinen Bericht schreiben. Auch wenn’s mein Kollege war, der ihn eingebuchtet hat, will ich doch sichergehen, dass alles genau stimmt.” An der Tür drehte sie sich um. “Und übrigens, sollten Sie an weiteren Informationen über Missbrauch in der Ehe interessiert sein, rufen Sie mich an, ich habe jede Menge Material. Bis dann!” Sie verabschiedete sich.
Sie gingen weiter! Gott, obwohl sie St. Luke verlassen hatte, gingen die Albträume weiter!
Kate ließ sich auf einen Stuhl sinken und schloss die Augen. War sie besessen? Lächerlich – an okkulten Schabernack glaubte sie nicht. Aber warum hatte sie ständig diese Halluzinationen, die ihr dennoch so schrecklich realistisch vorkamen? Wie die Personen in dem kurzen Moment, als Pamela wohl geglaubt haben musste, sie sei weggetreten? Ihr war, als hätte sie sie gekannt. Unmöglich, Spinnerei, Irrsinn! Niemals war sie Augenzeuge einer Gewalttat gewesen, alle ihre Patientinnen waren Fremde. Was also ging hier mit ihr vor?
Ein kurzes Klopfen an der Tür riss sie aus ihren wirren Gedanken. Ruby steckte ihren Kopf ins Zimmer. “Kann der nächste Patient kommen, Darlin’?”
Kate zwang sich zu einem Lächeln und nahm die Krankenakte entgegen. Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Du bist Ärztin – dann benimm dich auch wie eine!
13. KAPITEL
A mber überflog das große Wohnzimmer im Haus ihres Vaters mit kritischem Blick. Es war alles fertig, überall Kleinigkeiten verteilt, alles persönlich von ihr ausgesucht, alles mit dem Hauch von Originalität und Geschmack, der ihren Ruf ausmachte.
Sie ging hinüber zu einem Tisch mit Tabletts voller Hors d’œvres und Häppchen, die sie an strategischen Stellen ihren etwa dreißig bis vierzig Gästen anzubieten gedachte. Bei der Zubereitung ging ihr zwar die Mitarbeiterin eines guten Partyservice aus Bayou Blanc zur Hand, aber Amber hatte natürlich die Richtung vorgegeben. Nun stand sie etwas erschöpft, aber zufrieden vor ihrem Werk: Wenn es etwas gab, das sie erstklassig beherrschte, war es die Organisation einer Feier, und diese hier musste perfekt sein: sie galt Kates Heimkehr.
Sie legte gerade letzte Hand an den Blumenschmuck, als Stephen durch die Terrassentür hereinkam. “Ich weiß jetzt, warum das Licht im Garten nicht funktionierte. Opa Leo hat wahrscheinlich beim Heckeschneiden das Kabel erwischt. Ich hab’s mit Isolierband geflickt.”
Amber tätschelte seine Wange und strahlte ihn an. “Danke, mein Schatz. Gut, dass du eine Vorstellung hattest, woran es lag. Einen Elektriker hätten wir so schnell nicht mehr auftreiben können, und Deke und Daddy haben zwei linke Hände.”
“Ach, war doch nichts!”
Sie drückte seinen Arm. “Doch, doch! Was wäre, wenn du das Kabel nicht repariert hättest? Wir können doch die Gäste nicht im Dustern herumstolpern lassen! So, und jetzt geh und zieh dich um! In dem schicken neuen Hemd und den neuen Jeans siehst du dermaßen umwerfend aus, dass die Teenies heute Abend völlig von der Rolle sein werden.”
Sein jungenhaft attraktives Gesicht wurde dunkelrot. “Auf Teenies stehe ich nicht.”
Amber lächelte verschwörerisch und schob sich eine dicke kandierte Traube in den Mund. “Das macht dich für sie nur noch unwiderstehlicher!”
Er reagierte mit einem gleichgültigen Schulterzucken. “Ich habe sowieso nicht vor, lange zu bleiben. Es wird mich schon niemand vermissen.” Er wischte eine Hand an seiner Jeans ab und fischte eine auf einen Zahnstocher gespießte Garnele von einem Tablett. “Ich wollte mich mit einigen Bekannten treffen.”
Amber nahm ebenfalls eine Garnele. “So? Mit wem denn?”
“Mallory Delacourt, zum Beispiel. Sie ist zwar erst vierzehn, aber …”
“In dem Alter hatte ich schon einen festen Freund!”
“Ich glaube, sie hat auch einen, Cody Santana.”
“Santana? Doch nicht
der
Santana, Stephen!”
“Doch, der Sohn von Nick.” Er sah, wie sie die Garnele in eine Serviette wickelte. “Und Nick kommt übrigens heute Abend. Scheint so, als hätte Opa Leo ihn eingeladen.”
Deshalb war ihr Vater neulich so verstört gewesen, als Nicks Name fiel! “Woher weißt du das
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