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Aus reiner Notwehr

Aus reiner Notwehr

Titel: Aus reiner Notwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Young
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Schluss machen wollte! Und dabei das aus sich herausschreien, was sich so lange aufgestaut hatte. Dass der große Verfechter der traditionellen Werte, der Familie, der Verteidiger von Recht und Ordnung, das Sprachrohr eines großen Teils der Talkshow-Anhänger von New Orleans in seinen eigenen vier Wänden ein tyrannisches Scheusal, ein mieses Schwein war, der seine Frau und seinen eigenen Sohn mit einer ans Kriminelle grenzenden Grausamkeit behandelte und dunkle Geheimnisse hegte, die seinen Anhängern die Haare zu Berge stehen lassen würden.
    “Da bist du platt, was?”
    Sie schüttelte stumm den Kopf und vermied es, ihn anzusehen, aus Furcht, er könnte ihre Gedanken in ihren Augen lesen. Mit dem ewigen Lügen war Schluss; er hatte recht, sie wollte raus. Es galt nur, den richtigen Zeitpunkt für den Absprung zu erwischen.
    “Und rate mal, was ich heute noch erfahren habe!”
    “Deke, die Gäste kommen gleich!”
    “Scheiß auf die Gäste!” Er kam so nah an sie heran, dass sie seine Macht förmlich spüren konnte. Das Herz schlug ihr bis zum Halse, aber sie drehte sich nicht um. “Ich weiß, wo dein verflossener Schatz Nick wohnt: gleich hier in dieser Straße! Was für ein Zufall!”
    Amber schaute auf ihre Uhr; nur noch zehn Minuten blieben ihr zum Umziehen. Es abzustreiten hatte keinen Sinn, er würde ihr nicht glauben, aber sie durfte Stephen nicht mit in die Sache verwickeln. Sie sog scharf die Luft ein und sah ihren Mann an. “Deke, ich habe ihn nicht getroffen, ich will ihn auch nicht treffen, und wir haben jetzt keine Zeit für Diskussionen.”
    Er verlor völlig die Fassung und machte einen Satz auf sie zu; sie stolperte rückwärts, aber er war schneller als sie und ergriff sie am Handgelenk. “Hältst du mich für ‘nen Vollidioten? Der Kerl wohnt gleich gegenüber. Und du hast es so gedreht, dass du gleichzeitig hier bist.”
    Er tat ihr weh, doch sie war gewohnt, keine Schmerzen zu zeigen. “Ich hatte keine Ahnung, dass Nick hier ist, ob du’s glaubst oder nicht. Ich bin einzig und allein wegen Kate hier.”
    “Na, dann sieh mal zu, dass ihr möglichst viel voneinander habt, denn nach dem Fais-Do-Do bewegst du deinen reizenden kleinen Hintern wieder in mein Haus, wo er hingehört.” Er lockerte seinen Griff und führte spöttisch ihre Hand an seine Lippen. Bildete er sich etwa ein, dass er gerade eine weltbewegende Blitzmeldung losgeworden war? Sie war schon froh, dass er sie einige Zeit in Ruhe gelassen hatte, und seit Nick hier in der Gegend auf Genesungsurlaub war, betrachtete sie ihre Tage in Bayou Blanc als gezählt.
    Die Türklingel ging, und er ließ sie los. “Was die Scheidung angeht: Wenn du sie mit Gewalt durchdrücken willst, wirst du teuer bezahlen, Amber.” Er schob den Kalender in seine Jackentasche und steckte sein Handy ein. “Aber wo du recht hast, hast du recht. Unsere Gäste kommen. Und da du ja noch nicht angezogen bist, muss ich wohl die Honneurs machen.”
    Mit geballten Fäusten sah sie ihm nach, einem wandelnden Pulverfass, für das sie selbst immer die Lunte abgab. Erst der Ärger im Sender, dann die Sache mit Nick – da war ihm der Kragen geplatzt. An diesem Abend hatte er seine Eifersucht noch mit großspuriger Angeberei und hohlen Drohgebärden übertüncht, und alles war bisher noch innerhalb ihrer vier Wände geblieben.
    Amber wählte rasch ein Kleid aus, eilte ins Bad und warf ihr T-Shirt angewidert in den Wäschebehälter. Und wenn er sie noch so schikanierte: Heute Abend würde sie durchhalten und so tun, als wären sie ein ganz normales Ehepaar. Denn Kate würde sie beobachten.
    Und Nick würde auch zugegen sein.

14. KAPITEL
    S ehr zu ihrer eigenen Überraschung amüsierte sich Kate blendend auf der Party und nutzte die Gelegenheit, ihre düsteren Gedanken, wenn auch nur für einen Abend, zu vergessen. Sie hatte sich zwar nach dem absonderlichen Erlebnis mit dem Spiegelbild kopfüber in die Arbeit gestürzt, aber die Angst, dass sie den Boden unter den Füßen zu verlieren drohte, ließ sich nicht verdrängen.
    Sie nahm eine Sektflöte von einem dargereichten Tablett. Offensichtlich hatte man ihrer Mutter die ehrenvolle Aufgabe übertragen, sie nach der Eröffnung offiziell vorzustellen, und kleine rote Flecken auf Victorias Wangen ließen erkennen, dass sie an der Mitwirkung Gefallen gefunden hatte. Damit wertete Kate die Party bereits als Erfolg, und dank Nick war sie auch nicht völlig unvorbereitet gewesen. Wenn es sie auch nicht über die

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