Aus reiner Notwehr
“Kann ich das verdammte Ding nicht hintun, wo ich will? Oder darf ich nichts im Haus von deinem Alten?”
Sie war dabei, sauber zu machen, und sah zum ihm auf, die Hände voller Glasscherben. “Sitzt dir irgendetwas quer? Du weißt, dass du Daddy immer willkommen bist! War was im Studio?”
“Nee, außer dass mir dieser Drecksack von Dick Rogers die Leitung des Programms entzogen hat!” Seine Stimme wandelte sich in ein Knurren. “Und außer dass mir dieser Schweinehund jetzt eine Frau als Co-Moderatorin in die Talkshow setzt, wegen der Ausgewogenheit.”
Ach du großer Gott, eine Frau in “Jetzt reden wir Klartext”! Für Deke absolut untragbar, und wer die Dame auch sein mochte – entweder litt sie unter Todessehnsucht, oder sie hatte keine Ahnung, auf was sie sich einließ. Wenn Deke jemand nicht passte, konnte er unangenehm werden, aber wenn er sich bedroht fühlte, dann wurde er geradezu lebensgefährlich. Eine einigermaßen sichere Antwort fiel Amber nicht ein. In diesem Zustand genügte ein falsches Wort, und er ging hoch wie eine Rakete.
“Was ist? Hat’s dir die Sprache verschlagen?”
Sie kippte die Scherben in den Papierkorb. “Und ab wann soll das sein?”
“Überhaupt nicht – wenn ich ein Wörtchen mitzureden habe. Immerhin steht die geballte Macht des Publikums hinter mir, und das findet sich mit diesem feministischen Mumpitz in meiner Sendung nicht ab. Wenn Dick Rogers meint, er müsste mir in die Quere kommen, dann soll er sich warm anziehen.” Deke hatte das Glas aufgehoben, nahm eine Flasche aus der Kommode und goss sich Whisky pur nach. Mit Abwischen oder Eis hielt er sich nicht auf. “Ausgewogenheit!” Er spie das Wort mit solcher Abscheu aus, als hätte er einen Käfer im Mund. “Brauchen wir überhaupt nicht, das weibliche Element! Die sind sowieso überall auf dem Vormarsch, die Frauen! Die Männer müssen sich wehren und ihre Position verteidigen – das ist es, was mein Publikum hören will, und damit ist meine Sendung die heißeste Show in ganz New Orleans geworden. Warum daran herumbasteln? Dieser Dick Rogers hat einen Dachschaden!”
“Du kriegst das schon hin!” Amber stand auf und wischte sich sorgfältig winzige Glassplitter von den Händen.
“Das hat mir gerade noch gefehlt”, sagte er sarkastisch. “Eine gut durchdachte Analyse meines Problems.”
“Ich vertraue dir”, log sie. Es kam darauf an, ihn vor Eintreffen der Gäste zu beruhigen.
“Obwohl wir ständig Trouble haben?”
In ihrem Kopf begann eine Alarmsirene zu schrillen. Wenn er solche Töne anschlug, wurde er unberechenbar. “Was meinst du damit?”, fragte sie vorsichtig.
“Uns. Unsere ‘Beziehung’, wie man heute sagt.”
“Vielleicht müssen wir uns in unserer Beziehung mehr Mühe geben.”
“Es ist keine ‘Beziehung’, Amber. Beziehungen sind wie Drehtüren – man geht rein, man kommt raus. Da fehlt das Permanente. Nein, was wir hier haben, ist eine Ehe. Eine Sache auf immer und ewig, weißt du noch – bis dass der Tod uns scheidet.”
Ach ja. Amber hielt wohlweislich den Mund, wenn Deke in diesem Fahrwasser segelte.
“Mehr Mühe geben?” Er hatte ein gefährlich offenes Lächeln aufgesetzt. “Willst du mir nicht ein wenig genauer erklären, was du darunter verstehst? Schönere Blumenarrangements etwa? Oder noch ein neues Besteck? Wir haben doch erst vier verschiedene! Oder wir könnten abends unsere eigenen Tischtücher weben! Wie wär’s?”
“Deke, sei nicht albern! Ich will doch nicht …”
“Amber, ich weiß was du willst – du willst die Scheidung, verflucht noch mal! Was dich abschreckt, sind die Konsequenzen, nämlich deine öffentliche Demontage. Und wie ich dich demontieren würde, Schätzchen, glaub’s mir!” Sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an, und er klopfte mit dem Taschenkalender gegen sein Kinn. “Wie würde das wohl wirken, wenn die tolle Vorzeigefrau gar nicht so edel, so reizend, so charmant wäre, wie alle vermuten? Wenn sie ihren Mann hintergangen hätte? Wenn sie noch andere schmutzige Geheimnisse hätte? Da fällt mir ein, wo ist eigentlich mein Herr Sohn?”
“Deke, du weißt, ich bin dir immer treu …”
“Ich weiß nur eins: Du willst raus. Raus wie alle meine Schönwetterfreunde. Wenn’s mal nicht so läuft, verlassen die Ratten das sinkende Schiff.” Er reckte aggressiv sein Kinn vor. “Los, sag’s schon! Du willst Schluss machen!”
Ja, ja!
schrie es hysterisch in ihrem Innern.
Ja, ja, ja!
Und wie sie
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