Aus reiner Notwehr
Sorgen. Die Gefahr einer Schwangerschaft ist relativ gering, im Augenblick habe ich ganz andere Probleme, und wenn, dann würde ich es dir mitteilen.”
“Wirklich?”
Sie lachte und strich eine Haarsträhne nach hinten. “Du kannst mir vertrauen.”
Sam lehnte sich zurück und schaute sie ziemlich lange schweigend an. Dann sagte er nachdenklich: “Hin und wieder fällt mir ein, warum ich mich damals in dich verliebte.”
Kate fühlte, wie ihr Herz einen gewaltigen Sprung tat, und ein Teil von ihr hätte zu gerne die Gründe gewusst, Einzelheiten erfahren, ihm Glauben geschenkt. Doch sie wischte diese Torheiten beiseite. “Mach Schluss damit, Sam. Die Sache ist gelaufen. Lass die Vergangenheit Vergangenheit sein.”
“Und wie wär’s mit einem Gespräch über die jüngere Vergangenheit? Was war bei Cody?”
“Da gibt es nicht viel zu reden. Ich hatte in letzter Zeit einige … Schwierigkeiten, aber ich arbeite dran.”
Er nickte bedächtig, als ginge er das Gesagte noch einmal Wort für Wort durch. “Neulich, als wir darüber sprachen, bevor wir … abgelenkt wurden, erwähntest du einen beruflichen Wechsel. Unfallchirurgie ist ein schwieriges Fachgebiet, das ist mir klar, und das Burn-out-Syndrom kommt recht häufig vor, man brennt schnell aus. Ist das der Grund?” Sie wollte protestieren, doch er stoppte sie mit einer Handbewegung. “Was ich gesehen habe, habe ich gesehen, egal, was du sagst. Ich bin nicht blöd, und natürlich mache ich mir Sorgen. Stell dir vor, es passiert hier bei uns in der Praxis! Es hätte nicht nur rechtliche Folgen für dich, sondern für Leo und mich ebenso.”
Offensichtlich war er entschlossen, die Sache so lange am Kochen zu halten, bis auch Leo einsah, dass sich das ganze Theater um ihre Person nicht lohnte. Dennoch: Konnte sie ihm die ganze Wahrheit sagen? Immerhin war es eine ziemlich abstruse Wahrheit. Sie seufzte resigniert und setzte sich an ihren Schreibtisch. “Sam, ich sage dir dies ganz im Vertrauen. Da du ja doch keine Ruhe gibst und da ich den Aspekt der Haftung einsehe, will ich den Versuch einer Erklärung wagen. Ich hoffe, damit ist es getan. Also: Ich bin sicher, dass lediglich Stress die Ursache ist. Du hast selbst Burn-out erwähnt, und es erscheint mir logisch. Ich glaube …” Er setzte zu einer Frage an, aber sie fuhr fort. “Schon seit geraumer Zeit leide ich an einer Art Halluzinationen, die kommen und gehen, die jedoch meist auftauchen, wenn ich sehr schwere, lebensbedrohliche Verletzungen behandeln muss.” Erneut machte er den vergeblichen Versuch einer Zwischenfrage. “Bildfetzen aus meiner Vergangenheit. Ich sehe Bruchstücke eines Ereignisses, die sich am besten als Flashbacks oder als ‘déjà vu’ bezeichnen lassen, als etwas, das ich schon einmal erlebt haben muss. Diese Flashbacks überkommen mich urplötzlich, unerwartet, entziehen sich meinem Einfluss, gleichen Filmausschnitten in Zeitlupe mit verzerrtem Sound, sind jedoch völlig konfus und ergeben keinen Sinn.”
Müde rieb sie sich die Schläfen. “Du hast Burn-out erwähnt, und du hast recht. Es könnte sich um ein posttraumatisches Stress-Syndrom handeln, und ich kann dir sagen, es macht mir eine Heidenangst.” Sie sah ihn abwartend an und wäre ihm wahrscheinlich ins Gesicht gesprungen, hätte er ihre Theorie abgetan. Doch er hörte ihr ernst und aufmerksam zu. “Rede weiter.”
“Für ein solches posttraumatisches Stress-Syndrom muss ja eine traumatische Erfahrung vorliegen, nicht wahr? Nun, in meinem Fall müsste man fragen: Warum erkenne ich die Dinge nicht, die ich sehe? Es geht nämlich eindeutig nicht um einen Vorfall in der Notaufnahme, denn zu meinen Bildfetzen und Filmausschnitten zählen Waffen, Lichter, Blut, Angst und Panik, ein Brüllen, ein schreckliches Getöse, schreiende Menschen.”
“Donnerwetter!”
“Kann man wohl sagen!” Sie lachte verlegen und zuckte mit den Achseln. “Du denkst wahrscheinlich, ich bin nicht ganz bei Trost, was? Nun, du kannst mir glauben, das macht einen ganz schön fertig. Besonders als Arzt.” Sie sparte sich eine genauere Schilderung der Vorfälle an ihrem letzten Tag im St. Luke und ihren Aussetzer während des Gesprächs mit Pamela LaRue.
Sam beugte sich vor. “Und es passiert immer dann, wenn du Patienten behandelst?”
“Ja, in Situationen mit hohem Stressfaktor, wie bei Cody zum Beispiel.” Sie seufzte und massierte sich den Nasenrücken. “Wenn man die Albträume nicht mitzählt.”
“Albträume auch
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