Aus versehen Prinzessin - Mary Janice Davidson4
konnte Christina nicht umhin zu staunen: Der König trug einen Anzug. In dem er endlich einmal königlich aussah. „Hast du was gegessen? Du musst unbedingt was essen.“
„Daran liegt es nicht. Ach, AI“, sagte sie wieder und barg ihr Gesicht für einen Augenblick an seiner breiten Brust, zuckte jedoch zurück, bevor sie sein Hemd mit ihrem Make-up ruinierte. „Ich glaube, ich schaff das nicht. Wirklich nicht. All die vielen Leute!“
„Blödsinn. Christina Krabbe, du bist im ganzen Leben noch vor nichts weggerannt. Und wirst jetzt nicht damit anfangen.“
„Das e ist stumm“, erinnerte sie ihn, „aber danke für den Vertrauensvorschuss.“
„Ich mein’s ernst, Kleine. Ich weiß, dass es beängstigend wirkt, aber das mit den Kameras dauert höchstens eine Stunde, und danach ist es ein Heidenspaß. Du weißt schon: Bis dass der Tod euch scheidet“, witzelte er.
„Okay. Sony. Weiß auch nicht, was mich da geritten hat.“
„Hey, du wärst kein Mensch, wenn du nicht von Zeit zu Zeit auch Muffensausen bekämst. Besonders an einem Tag wie heute. Scheiße, an meinem großen Tag war ich ein reines Nervenbündel.“
„Du siehst übrigens toll aus. So erwachsen und … überhaupt.“
„Dieser verdammte Kragen wird mich noch erwürgen. Trotzdem, danke. Alles wieder in Ordnung jetzt? Brauchst du noch irgendwas?“
Christina brachte ein Lächeln zustande. „Mir geht’s gut. Ehrlich.“
„Okay. Wir sehen uns dann draußen. Und Chris – ehrlich –, David ist ein Glückspilz. Sowie du aussiehst, bist du eine Million wert – ganz wie eine Königin.“
Sie erbleichte. „Sag so was nicht.“
„Schön. Sony. Aber es ist so. Okay, sorry. Bye.“
Und dann ging er – glücklicherweise.
Jenny eilte wieder herein. Sie trug ihr Bouquet aus blassblauen Iris und schleppte Christinas Brautstrauß aus weißen und roten Rosen und dunkelvioletten Iris. „Habe gerade Bescheid bekommen, Euer Hoheit. Wir sind in drei Minuten auf Sendung.“
„Fang jetzt nicht mit diesem Hoheit -Quatsch an“, warnte Christina, während sie Jenny den Strauß abnahm, der an die sechs Tonnen wog.
„Ich bin mir Ihrer Abneigung gegen Titel durchaus bewusst“, sagte Jenny mit scheuem Lächeln. „Ich wollte nur die Erste sein, die Sie so anredet.“
„Jenn – schaffen Sie sich selbst ein Leben. Ich meine das ernst.“
Jenny lachte so ansteckend, dass Chris richtig mitlachen musste. Für so ein gesittetes, züchtiges Wesen hatte sie ein äußerst brüllendes Lachen. Und einen Moment lang war es fast ein normaler Tag.
„Bereit, Mylady?“, flüsterte Edmund.
Christina war wie erstarrt: ein Reh, das von den Scheinwerfern erfasst wird. Nie zuvor hatte sie so viele Menschen in einem Raum – in einem gewaltigen, höhlenartigen Raum – gesehen. Und bis jetzt hatte sie diesen Raum noch nicht einmal betreten. Sie stand immer noch in der Vorhalle und spähte hinein.
Man erwartete von ihr, dass sie nun das Kirchenschiff hinabschritt. Alle warteten auf sie. David wartete vor allem.
Aber Chris konnte nicht. Sie schaffte das nicht. Sie wollte nur weg hier. Abhauen, sofort. In die Wildnis flüchten … in Alaska gab es ja genug davon. Sie wusste, wie man jagte, sie verstand etwas vom Fischen. Sie würde keine Prinzessin mehr sein, sondern eine Einsiedlerin. Eine stinkende blonde Einsiedlerin, die dem Königsthron ganz knapp entronnen war.
„Mylady?“ Edmund sah sie für seine Verhältnisse geradezu mitleidig an.
„Bereit“, flüsterte Christina. Sie spürte, wie sich ihr Mund in einem starren Lächeln verzog. Was für eine dummer, sinnloser Traum. Natürlich würde sie die Sache durchziehen. Sie hatte es doch versprochen, oder etwa nicht? Nicht in furchtbar vielen Worten zwar, aber sie hatte den Ring angenommen, den sie nun am Finger trug. Und dieser hier war ein in Platin gefasstes Versprechen mit blauen Diamanten.
Also, sie würde heute heiraten. Und was den Rest anging -ihren zukünftigen Job als Königin oder Kochefin von Alaska -darüber würde sie sich morgen noch Sorgen machen können. Wie Scarlett.
Die Klänge von Clarkes Trumpet Voluntary schwebten lieblich durch das Kirchenschiff, und Christina wagte sich auf den langen Gang. Plötzlich waren aber viel zu viele Dinge da, die um ihre Aufmerksamkeit buhlten, und ihr Kopf kämpfte damit, sie alle aufzunehmen. Ihr Lächeln fühlte sich mittlerweile wie eingefroren an.
Zuerst: die Gesichter. Hunderte, und allesamt ihr zugewandt. Sie dankte Gott, dass sie weder Pumps
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