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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Carreras
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denke.

    Wien, die ehemalige Hauptstadt der Donaumonarchie, ist Carreras im Laufe der Zeit zur zweiten Heimat geworden. Das hat mit der Herzlichkeit zu tun, mit der man ihm bei den vielen Malen, die er dort gesungen hat, begegnet ist. Nach seinem verunglückten Wiener Debüt hat er einen Auftritt abgesagt,
bei dem er einige Tage später in Jules Massenets Manon singen sollte, weil er es für besser hielt, bei anderer Gelegenheit erneut vor das Publikum der Staatsoper zu treten. Obwohl er dort in insgesamt 222 Opernaufführungen 22 verschiedene Rollen gesungen hat, ist er bemerkenswerterweise in Wien nie wieder als Herzog von Mantua aufgetreten.

    In meiner gesamten künstlerischen Laufbahn hatte ich auf der Bühne lediglich noch zweimal ernsthafte Schwierigkeiten mit meiner Stimme – 1982 in Nizza, als ich den André Chénier in der gleichnamigen Oper von Umberto Giordano sang und die Rolle so gut es ging zu Ende brachte, und das zweite Mal 1986 in Oslo, als ich mit einer beginnenden Grippe in Puccinis La Bohème auftrat. Ich überstand den ersten Akt, doch da ich danach keine Stimme mehr hatte, sah ich mich genötigt zu erklären, dass ich außerstande sei fortzufahren. Da niemand da war, der einspringen konnte, musste die Leitung auf das zurückgreifen, was man in unserem Metier als »black night« bezeichnet – es blieb nichts anderes übrig, als die Leute nach Hause zu schicken. Während meiner Karriere habe ich Gott sei Dank nur ganz wenige Aufführungen absagen müssen.

    Das Missgeschick bei José Carreras’ erstem Auftritt an der Wiener Staatsoper blieb für seine weitere Laufbahn eine belanglose Episode, denn in den folgenden Monaten errang er an Häusern wie der Londoner Covent Garden Opera, dem Münchner Nationaltheater und der Mailänder Scala immer wieder die Anerkennung von Publikum und Kritik. Als er in der britischen Hauptstadt den Alfredo Germont aus Verdis La Traviata verkörperte, jubelte ihm das Publikum zwar zu, dennoch verlief die Vorstellung äußerst unglücklich, denn sie wurde mitten im zweiten Akt unterbrochen. Das Theater musste wegen einer Bombendrohung geräumt werden, und der Direktor des Hauses, John Tooley, teilte das dem Publikum persönlich mit. Nachdem die Polizei alles gründlich durchsucht hatte, konnte die Vorstellung eine Dreiviertelstunde später weitergehen. Die rumänische Sopranistin Ileana Cotrubas war zwar ein wenig aus der Fassung gebracht, Carreras hingegen schlug sich trotz der sonderbaren Stimmung in der Covent Garden Opera
hervorragend und errang bei den nachfolgenden Vorstellungen die Anerkennung des sachkundigen britischen Publikums. Im Münchner Nationaltheater sprang er für Franco Corelli als Cavaradossi in Tosca ein und errang mit der Wärme seiner Stimme und seiner gefühlvollen Darstellung die Gunst der bayerischen Opernkenner. In der Mailänder Scala war er bekanntlich gleich bei seinem Debüt in Ein Maskenball zum großen Opernstar geworden. In jener Aufführung hatte ihm Giuseppe Di Stefano, der ihm sein Kostüm des Riccardo geliehen hatte, aus dem Parkett applaudiert. »Mein Auftritt in dieser Oper hat für mich einen großen persönlichen Erfolg und einen Triumph bedeutet, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte«, gesteht der Sänger heute, der davon überzeugt ist, dass er an jenem Abend eine der fünf besten Leistungen seiner ganzen Laufbahn erbracht hat. Von der ersten Arie an hatte er das Gefühl, dass es sein Abend sein würde.
    Das Echo, das auf diese Triumphe folgte, gestattete es dem Sänger, drei Jahre später nach Wien zurückzukehren. Sein Auftritt am 9. Februar 1977 wurde sein eigentliches Debüt dort und legte den Grundstein zur Versöhnung mit dem Publikum der Staatsoper, das ihm danach so manches Mal zugejubelt hat. Sein Cavaradossi in dieser Inszenierung der Tosca war glänzend und eines der Ereignisse, an die sich die Österreicher noch jahrelang erinnerten.

8.
Karajan und die Rolle des Radames in Aida
    U nter Karajan singen zu dürfen bedeutete für mich einen Höhepunkt. Als er mir nach meinem ersten Auftritt in der Scala über meinen Agenten Carlos Caballé das Angebot machte, bei den Salzburger Osterfestspielen von 1976 in Verdis Requiem zu singen, hat mich das geradezu überwältigt.

    José Carreras spricht voll aufrichtiger Verehrung über den Dirigenten Herbert von Karajan. Er erinnert sich daran, wie ihn nicht nur dessen Blick beeindruckte, als er ihn kennenlernte, sondern auch die respektvolle Art des Umgangs mit anderen, die

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