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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Carreras
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spanischen Staatsfernsehen und vierzig weiteren Fernsehgesellschaften übertragen wurde, waren in der Umgebung des stillen Dörfchens in der Provinz Gerona außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Diesmal hatte sich die spanische Königin zusammen mit ihrer Schwester Irene und ihrer Schwägerin Anne-Marie, Gattin Konstantins von Griechenland, angesagt. Begleitet wurden sie von Prinzessin Diana, was die Zahl der Journalisten, die gekommen waren, nochmals steigerte. Ebenfalls anwesend war neben zahlreichen Angehörigen der Regierung Kataloniens auch Jordi Pujol, Präsident der Generalitat de Catalunya. In seiner Nähe saßen der ehemalige Präsident der Europäischen Union Gaston Thorn aus Luxemburg, Baron Thyssen samt Gattin sowie Mitglieder der Creme der katalanischen Gesellschaft.

    Ich freute mich darauf, in Peralada erneut vor mein Publikum treten zu können, und so studierte ich die einzelnen Titel für mein Konzert mit großer Sorgfalt ein. Ich begann mit italienischen Liedern von Tosti wie »Malia«, »A vucchella« und »Non t’amo più«; auf sie folgten französische Lieder, die mir besonders gut gefallen, darunter »Ouvre tes yeux bleus« von Jules Massenet und »Après un rêve« von Gabriel Fauré. Im zweiten Teil sang ich katalanische Lieder wie »El cant dels ocells«, Werke von Frederic Mompou wie »Jo et presentia com la mar« und auch einige spanische, darunter »Los dos miedos« (Die beiden Ängste) und »Nunca olvida« (Vergiss nie) von Joaquín Turina. Für den Schluss hatte ich Puccini-Lieder vorgesehen: »Sole e amore«, »Terra e mare« und »Menti
all’avviso«. »Granada« sparte ich mir als Zugabe auf. Zu meinen Erinnerungen an diesen Abend gehört, dass meine Verehrer vom fünften Rang des Liceu in den obersten Reihen ein riesiges Transparent entfaltet hatten, auf dem neben einem großen roten Herzen »Wir lieben Carreras« stand, und dass ich mich nach dem Konzert mit Königin Sofía und der Prinzessin von Wales unterhalten konnte, die eigens aus Palma de Mallorca herübergekommen waren, wo sie Urlaub machten. Lady Diana, die ich zwei Jahre später aus Anlass meiner Ernennung zum Ehrenmitglied der Royal Academy of Music in London wiedertraf, war bezaubernd, umgänglich und nicht im Geringsten eingebildet. Damals durchlebte sie ein seelisches Drama, doch ihr öffentliches Auftreten und ihre Art, anderen zu begegnen, waren warmherzig und liebenswürdig.

    Zwei Daten im Terminkalender des Tenors waren nach seiner Rückkehr auf die Bühne für ihn besonders bewegend: der 16. September 1988, als er erneut in der Wiener Staatsoper sang, und der 6. November, als er wieder einmal im Liceu auftrat und ein Konzert gab.
    Die Wiener Staatsoper, auf deren Bühne üblicherweise ausschließlich Opern aufgeführt werden, machte eine Ausnahme, damit Carreras ein Solokonzert geben konnte. Da den verfügbaren gut zweitausend Plätzen achtzigtausend Kartenwünsche gegenüberstanden, entschied sich die Leitung des Hauses, nicht nur Stühle hinten auf der Bühne aufzustellen, sondern auch eine große Videoleinwand im Eingangsbereich zu platzieren; darüber hinaus gestattete man ausnahmsweise eine Fernsehübertragung. Trotzdem schossen die Preise für die Karten in die Höhe und erreichten auf den besten Plätzen das Zehnfache des Üblichen, in Euro umgerechnet tausendzweihundert statt hundertzwanzig. Schon ab Anfang September kündigten Rundfunksender das Konzert mit einem Werbespot an, in dem der Sprecher vor dem Hintergrund von Carreras’ Stimme verkündete, dass dessen Stimme ein ebenso großes Wunder sei wie die Heilung von der Leukämie. Überaus bewegt nahm das Wiener Publikum die Rückkehr des Sängers auf, gleichsam ein Adoptivsohn der Stadt, der schon Tage vor seinem Auftritt
erklärt hatte, es sei für ihn etwas ganz Besonderes, wieder in jenem Land, jener Stadt und auf jener Bühne singen zu können, und das nicht allein aus künstlerischen Gründen.

    Nie zuvor hatte es in der Staatsoper ein Solokonzert gegeben, aber in meinem Fall machte man eine Ausnahme und stellte einen Flügel auf die Bühne. In diesen Jahren begleitete mich der italoamerikanische Pianist Vincenzo Scalera. Alles war äußerst bewegend, auf künstlerischer wie persönlicher Ebene. Ich fühlte mich durch das fachkundige Publikum, das mich immer warmherzig aufgenommen hatte, reichlich belohnt. Ganz bewusst hatte ich ein Programm zusammengestellt, das den Bogen vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik spannte,

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