Auschwitz - Taeter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde: Ein Personenlexikon
Morgens kamen wir zu der Grube, die wir am Tag vorher gemacht hatten. Die war voll mit Toten. Die Leichen waren nur mit einer ganz dünnen Schicht Erde bedeckt. Ich glaube, es war auch Kalk über die Leichen gestreut. Und der Mann, ein Häftling, hat sich über den Graben gebeugt und auf einmal schreit er: ›Das ist meine Tochter! Meine Tochter, meine Tochter!‹ Und da ist der SS-Mann gekommen, um zu sehen, was dort los ist. Als er gehört hat, daß der Mann glaubt, seine Tochter zu sehen, da hat er seine Pistole gezogen und hat den Mann erschossen. Dabei hat er gesagt: ›So, dann kannst du jetzt bei deiner Tochter liegen.‹« Balbin gelingt nach drei Wochen der Wechsel in ein Elektrikerkommando. Gestorben am 11.9.2003 in Nancy.
Baldus, Alfons
SS -Unterscharführer
* 14.12.1911 Groß Rettingen, Kreis Diedenhofen. SS-Totenkopf-Reiterregiment Warschau. Wachkommando Auschwitz, Bewachung von Häftlingskommandos. Koch, d.h. Überwachung der Häftlingsköche im »Zigeunerlager«. Baldus: »Da ich die Zustände im Zigeunerlager, ich meine das ewige Betteln der Kinder, nicht mehr ertragen konnte, habe ich mich weggemeldet.« Ende 1942 »Koch« im Außenlager Jawischowitz. Zuletzt Standortverwaltung. Kommandanturbefehl vom 7.6.1943: »Besuch der Ehefrau auf die Dauer von 4–6 Wochen«. Nach 1945 Wohnsitz in Hessen. – Häftlingsärztin Adelsberger (Erinnerungen), die zusammen mit den Kindern in einer Baracke des »Zigeunerlagers« schläft: »Die Kinder waren wie die Erwachsenen nur noch Haut und Knochen, ohne Muskeln und ohne Fett, und die dünne pergamentartige Haut scheuerte sich über den harten Kanten des Skeletts überall durch und entzündete sich in schwärenden Wunden. Krätze bedeckte den unterernährten Körper von oben bis unten und entzog ihm die letzte Kraft. Der Mund war von Noma-Geschwüren [Wasserkrebs] zerfressen, die sich in die Tiefe bohrten, die Kiefer aushöhlten und krebsartig die Wangen durchlöcherten. Durchfall, durch Wochen hindurch, löste ihren widerstandslosen Körper auf, bis bei dem steten Wegfließen von Substanz nichts mehr von ihm übrigblieb. Viele von ihnen, die so lange des Essens entwöhnt waren, fragten nicht mehr nach Nahrung, aber alle verlangten zu trinken; auch die, deren Körper schon viel zu viel Flüssigkeit gespeichert hatten, bettelten immer und immer um Wasser. Durst, unstillbarer Durst, war eine der großen Plagen. Wasser war verboten, weil es verseucht war. Durch keine Drohung und keine Bitte waren die Kinder vom Trinken abzuhalten. Sie verkauften ihre letzte Brotration für einen Becher des gefährdeten Wassers, und wenn sie kaum mehr gehen konnten, krochen sie nachts von ihrem Lager und krabbelten heimlich auf allen vieren unter den Betten hindurch zu den Kübeln mit Aufwaschwasser und soffen es aus. Vor Hunger und Durst, Kälte und Schmerzen kamen die Kinder auch nachts nicht zur Ruhe. Ihr Stöhnen schwoll orkanartig an und hallte im ganzen Block wider, bis sie erschöpft nachließen und nach kurzer Pause zu neuem Crescendo ansetzten. Nacht für Nacht flutete das Jammern der leidenden Kreatur auf und ab, wie die Wogen eines Meeres, eine nicht endende Symphonie menschlicher Qual.«
Balitzzi, Chaim
Opfer von Versuchen zur Massensterilisierung mit Röntgenstrahlen, Nr. 132266
* 1920. Ankunft Auschwitz am 1.8.1943 aus dem Ghetto in Bendsburg (Bedzin). Von 2000 Menschen werden 1600 sofort in der Gaskammer getötet (Balitzzis Eltern und sein 14jähriger Bruder waren bereits 1942 in einem Vernichtungslager ermordet worden). Balitzzi am 22.11.1946 in Nürnberg (Nbg. Dok. NO-819): »Wir mußten uns ausziehen, und die Geschlechtsteile wurden unter einen Apparat gebracht und für 15 Minuten unter dem Apparat gehalten. Der Apparat hat die Geschlechtsteile und Umgebung stark erwärmt und nachher haben sich diese Teile schwärzlich verfärbt. Nach dieser Aktion mußten wir sofort wieder arbeiten. Im Verlaufe von einigen Tagen haben die Geschlechtsteile bei den meisten Kameraden geeitert, und die hatten große Schwierigkeiten beim Gehen. Sie mußten aber trotzdem arbeiten, bis sie umfielen. Die Umgefallenen kamen zur Vergasung. Ich selbst habe nur eine Nässe gehabt, aber keine Eiterung. Nach zwei Wochen, ungefähr im Oktober 1943, hat man sieben Mann unserer Gruppe nach Auschwitz I geführt. Diese Strecke mußte zu Fuß zurückgelegt werden. Sie hatten sehr große Schwierigkeiten beim Gehen, weil die Geschlechtsteile schmerzten. Wir kamen nach Auschwitz I in den
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