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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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Weltanschauung hinter Himmlers Befehl gerechnet – alle Juden sollten sterben, ohne Ausnahme.
    Am Samstag, dem 25. Juli, hörten die Juden von Przemyśl ein Gerücht, daß die SS am folgenden Montag mit den Deportationen beginnen werde und daß ihre deutschen Ausweise fast alle wertlos würden. Einem der Juden, Samuel Igiel, gelang es, am Sonntag früh Battel zu erreichen und ihn vor der bevorstehenden Aktion zu warnen. 36 Battel rief den Chef der lokalen Gestapodienststelle an und wollte wissen, was vor sich ging, doch dieser knallte statt einer Antwort den Hörer auf die Gabel. Aufgebracht suchte Battel seinen Vorgesetzten auf, Major Max Liedtke, und ließ anschließend mit seinen Soldaten die Brücken über den San besetzen, der durch die Stadt verlief, womit er den Zugang zum Ghetto versperrte. Auf Anweisung des SS- und Polizeiführers in Kraków, Julian Scherner, gab die Gestapo in Przemyśl nach und machte ein Zugeständnis: 2500 Juden der Stadt erhielten Ausweise, die sie bis auf weiteres vor einer Deportation bewahrten. Um sicherzugehen, daß alle Juden, die für ihn arbeiteten, gerettet wurden, schickte Battel Lastwagen in das Ghetto, die sie und ihre Angehörigen abholten, und brachte sie anschließend im Kellergeschoß der Kommandantur der Stadt unter. Insgesamt wurden auf diese Weise 240 Juden aus dem Ghetto herausgeholt.
    Die »Umsiedlungsaktion« der SS gegen die Juden von Przemyśl ging am 27. Juli planmäßig weiter, und die große Mehrzahl von ihnen wurde nach Bełżec transportiert, doch die Intervention Battels hatte mehrere tausend Juden vor einer unmittelbaren Deportation bewahrt. Einige Wochen später wurde Battel aus Przemyśl versetzt, und die SS leitete geheime Ermittlungen wegen seines Eingreifens ein. Die Ergebnisse gelangten schließlich zu Himmler, der dazu vermerkte, Battel solle nach Beendigung des Kriegs zur Rechenschaft gezogen werden. Battel wurde anschließend aus gesundheitlichen Gründen aus der Wehrmacht entlassen, in den letzten Kriegsmonaten in seiner Heimatstadt Breslau (Wroclaw) zum Volkssturm eingezogen und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
    Die verschiedenen Motive, die für Battels Rettung einer größeren Zahl der Juden in Przemyśl ausschlaggebend waren, dürften sich schwer voneinander trennen lassen. Doch während es sicherlich außer Zweifel steht, daß ihn seine Vorgesetzten in der Wehrmacht hauptsächlich unterstützten, um den Verlust ausgebildeter Arbeitskräfte zu verhindern, war Battel offenbar von dem Gefühl getrieben, daß die Deportationen in die Vernichtungslager schlicht ein Unrecht waren. Battel wurde 1981, lange nach seinem Tod, in Yad Vashem in Israel als ein »Gerechter unter den Völkern« geehrt.
    Es gab noch andere deutsche Offiziere wie Battel, die im Sommer und Herbst 1942 gegen die Judendeportationen protestierten, doch sie stellten nur eine winzige Minderheit innerhalb der deutschen Besatzungsmacht in Polen dar. Und ihr Handeln hatte so gut wie keinen Einfluß auf die Judentransporte zu den Vernichtungslagern. Trotzdem wurde eine kleine Gruppe von Juden gerettet, und es ist wichtig zu erkennen, daß sich nicht alle Deutschen willig den neuen Realitäten einfügten, wenn sie aufgefordert wurden, sich an dem Verbrechen zu beteiligen.
    Oskar Gröning dagegen gehörte mit ziemlicher Sicherheit zur Mehrheit derer, die ihre Rolle bei der Ermordung der europäischen Juden im Jahr 1942 akzeptierten. Nachdem er einige Monate in Auschwitz gearbeitet hatte, war seine Arbeit für ihn zu einer »Routineangelegenheit« geworden. Er sortierte die Münzen und Banknoten verschiedener Währungen, die man den Neuankömmlingen abgenommen hatte, zählte das Geld und schickte es nach Berlin. Er wohnte immer noch den Selektionen bei, nicht um mit zu entscheiden, wer vorläufig am Leben bleiben sollte und wer nicht – diese Entscheidung wurde von den SS-Ärzten getroffen –, sondern um zu gewährleisten, daß die Habseligkeiten der Juden weggebracht und sicher verwahrt wurden, bis man sie sortieren konnte. Das geschah in einem Bereich des Lagers, der im Lauf der Zeit die Bezeichnung »Kanada« erhielt, da dieses Land zu einem Ziel der Häftlingsträume geworden war, einem Land, in dem Milch und Honig flossen.
    Gröning hatte sich auf diese Weise die Dinge so zurechtgelegt, daß er in Auschwitz ein für ihn erträgliches Leben führen konnte. In seinem Büro war er von der Brutalität abgeschottet, und wenn er durch das Lager ging, konnte er seine Augen

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