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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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gegessen. Das war unsere Rettung. Sogar Tiere fressen sich gegenseitig auf, wenn sie Hunger haben … Wir wollten leben. Wir wollten überleben. Hätten wir die Sachen wegwerfen sollen? Wir haben niemanden umgebracht. Wir haben nur ihr Essen genommen. Sie waren ja schon tot … Ewas zu essen, Wasser und genug Schlaf – das war alles, worauf es uns ankam. Und das gab es alles in ›Kanada‹.«
    Doch wer natürlich weit mehr von »Kanada« profitierte, waren einzelne SS-Angehörige. »Die Deutschen haben sich unglaublich bereichert«, berichtet Linda Breder. »Alles, was für uns übrigblieb, war der Tod … Alle [die SS] haben sie gestohlen. Sie kamen nach ›Kanada‹, weil es dort alles gab und weil sie sich dort ungehindert bedienen konnten.« Rudolf Höß räumte ein, daß »die Wertgegenstände, die die Juden mitbrachten, zu unvermeidlichen Problemen führten«, da die SS-Leute, die für ihn arbeiteten »nicht immer stark genug waren, um der Versuchung zu widerstehen. Sie brauchten ja nur die Hand auszustrecken.« 9 Oskar Gröning bestätigt die Ansicht des Lagerkommandanten: »Natürlich bestand die Gefahr [des Diebstahls], denn es ist nicht schwer, aus einem großen Haufen von Sachen etwas zu stehlen und damit Geschäfte zu machen, was in Auschwitz ständig vorkam.« Da er in in der Verwaltung arbeitete, wußte er, daß »viele« mit den Wertgegenständen »in Berührung kamen«, die von der Gepäcksammelstelle auf der Selektionsrampe in die Sortierbaracken wanderten und schließlich in Holzkisten in sein Büro gebracht wurden: »Und ganz sicher sind eine Menge dieser Sachen in Kanäle umgeleitet worden, für die sie nicht bestimmt waren.«
    Erstaunlicherweise war die Kontrolle innerhalb der SS in Auschwitz »tatsächlich sehr lasch«, wie Gröning bestätigt. Er gibt zu, daß auch er an der im Lager weitverbreiteten Korruption beteiligt war. Er unterschlug einen Teil der Gelder, die durch seine Hände gingen, um auf dem florierenden Schwarzmarkt in Auschwitz Waren zu kaufen. Als er es beispielsweise leid war, sich jedesmal aus der Waffenkammer eine Pistole abzuholen, um sie am Ende seiner Schicht dort wieder abzugeben, wandte er sich an »Leute mit Beziehungen« mit der Bitte: »Ich brauche eine Pistole mit Munition, mein Freund.« Und da Gröning, zu dessen Aufgaben es gehörte, das beschlagnahmte Geld zu zählen und zu sortieren, als »Dollarkönig« bekannt war, einigte man sich auf einen Preis von 30 US-Dollar. Es war ein Kinderspiel für ihn, diese Summe von dem Geld »abzuzweigen«, das täglich über seinen Schreibtisch wanderte. Er zahlte die 30 Dollar und erhielt die Pistole.
    Grönings heimliche Transaktion war nur eine von Tausenden ähnlicher illegaler Geschäfte, die Woche für Woche in Auschwitz abgewickelt wurden. Angesichts so vieler Reichtümer, die das Lager förmlich überschwemmten, einer so geringen Kontrolle und so vieler sich bietender Gelegenheiten, kann man davon ausgehen, daß so gut wie jeder SS-Mann in das korrupte System verstrickt war: vom einfachen SS-Sturmmann, der ein neues Radio wollte, bis hin zum SS-Führer, der mit gestohlenem Schmuck handelte.
    Auf seiner berüchtigten Rede in Posen im Oktober 1943 sprach Himmler das überaus heikle Thema der Korruption innerhalb der SS an. »Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen«, sagte er vor den anwesenden SS-Gruppenführern. »Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffentlichkeit nie darüber reden. … Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. … Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammenliegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte Die Reichtümer, die sie hatten, haben wir ihnen abgenommen. Ich habe einen strikten Befehl gegeben, den SS-Obergruppenführer Pohl durchgeführt hat, daß diese Reichtümer selbstverständlich restlos an das Reich abgeführt wurden. Wir haben uns nichts davon genommen. Einzelne, die sich verfehlt haben, werden gemäß einem von mir zu Anfang gegebenen Befehl bestraft, der androhte: Wer sich auch nur eine Mark davon nimmt, der ist des Todes. Eine Anzahl SSMänner – es sind nicht sehr viele

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