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Auschwitz

Auschwitz

Titel: Auschwitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Rees
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und effiziente Sterilisationstechnik lieferte.
    Da Silvia Veselá die Frauen, die diesen schmerzhaften Experimenten unterzogen wurden, gern hatte, versuchte sie, das Geschehen nicht zu sehr an sich »herankommen zu lassen«: »Das Beste, was man machen konnte, war, gar nicht darüber nachzudenken. Es wurde auch die Wirkung unterschiedlicher Röntgendosen auf den Dünndarm getestet. Es war schlimm. Die Frauen mußten sich ständig übergeben. Es war wirklich schrecklich.« Die Röntgenstrahlen wurden entweder zur Sterilisation selbst eingesetzt oder um die Wirkung der in die Gebärmutter injizierten Substanzen zu überprüfen: »Die Frauen wurden mit gespreizten Beinen auf den Röntgentisch gelegt. Dann spritzte ihnen der Arzt ein Kontrastmittel in die Eileiter. Von einem Monitor aus konnte er kontrollieren, ob er die Spritze richtig ansetzte. Nach jeder Untersuchung und Injektion belichtete ich die Röntgenaufnahmen, damit man sehen konnte, ob die Eierstöcke verklebt waren und die Sterilisation geklappt hatte. … Für sie waren wir keine Menschen. Wir waren Tiere. Verstehen Sie das? Wir waren keine Menschen. Wir waren einfach nur Nummern und Versuchstiere.«
    Auch Silvia Veselá entging dem Forscherdrang Dr. Claubergs in Block 10 nicht: »Als ich krank war, machten sie auch an mir Versuche … Leider bin ich nach dem Krieg, als ich verheiratet war, trotz dieser Experimente schwanger geworden. Ich mußte eine scheußliche Abtreibung vornehmen lassen. Die Ärzte sagten: ›Einmal reicht! Werden Sie bloß nicht noch einmal schwanger.‹«
    In Block 10 führten nicht nur Schumann und Clauberg ihre Sterilisationsexperimente durch, sondern auch Dr. Wirths, der ranghöchste Militärarzt in Auschwitz, mißbrauchte Frauen für seine »Erforschung« des Gebärmutterhalses. In Block 28 des Stammlagers wurden medizinische Experimente an Männern durchgeführt. Dazu zählte eine Versuchsreihe, bei der man auf die Haut der Häftlinge giftige Wirkstoffe auftrug, um möglichen Tricks auf die Spur zu kommen, mit denen sich Wehrpflichtige vor dem Armeedienst drücken wollten.
    Es wurden sogar Häftlinge an die Firma Bayer, Teil der I. G. Farben, »verkauft«, wo sie als Versuchskaninchen für die Erprobung neuer Medikamente eingesetzt wurden. In einem Schreiben von Bayer an die Lagerleitung von Auschwitz heißt es: »Der Transport mit 150 Frauen traf in guter Verfassung hier ein. Allerdings gelang es uns nicht, verläßliche Ergebnisse zu erzielen, weil sie während der Tests starben. Wir möchten sie daher bitten, uns eine weitere Gruppe Frauen gleicher Größe und zum gleichen Preis zu schicken.« 12 Diese Frauen, die bei einer Versuchsreihe mit Narkosemitteln starben, hatten Bayer 170 Reichsmark pro Person gekostet.
    Doch so schrecklich das Leid der Betroffenen auch war, so sind es nicht die Namen Clauberg, Schumann, Wirth oder Bayer, die gemeinhin mit den menschenverachtenden medizinischen Experimenten in Auschwitz in Verbindung gebracht werden, sondern der eines 32jährigen gutaussehenden Kriegsveteranen und Trägers des Eisernen Kreuzes, der im März 1943 nach Auschwitz kam: Dr. Josef Mengele. Mehr als irgend jemand sonst ist Mengele zum Synonym für Auschwitz geworden. Dies ist zum einen auf seine Persönlichkeit zurückzuführen, denn Mengele genoß die Macht, die er in Auschwitz ausübte, und nutzte sie bei seinen »Forschungen« hemmungslos aus; zum anderen spielten aber auch äußere Umstände eine Rolle, denn er kam genau zu dem Zeitpunkt ins Lager, als die Krematorien in Birkenau fertiggestellt waren und Auschwitz im Begriff war, in seine zerstörerischste Phase einzutreten.
    Die Häftlinge lernten Mengele als zwiespältige Persönlichkeit kennen. Wenn er in seiner tadellosen SS-Uniform vor ihnen stand, konnte er lächeln und charmant sein – oder aber unbeschreiblich grausam. Zeugen beobachteten, wie er eine Mutter und ihr Kind auf der Rampe erschoß, weil sie sich ihm widersetzten, aber andere erinnern sich, daß er nur freundliche Worte für sie hatte. Die tschechoslowakische Gefangene Vera Alexander 13 erlebte die Widersprüchlichkeit seines Wesens aus nächster Nähe, als sie Kapo eines Blocks war, in dem polnische und Zigeunerkinder wohnten: »Mengele kam jeden Tag ins Lager – er brachte immer Schokolade mit … Wenn ich mit den Kindern schimpfte, bekam ich oft zu hören: ›Wir erzählen dem Onkel, wie böse du bist.‹ Mengele war für sie der ›liebe Onkel‹.« Aber Mengele hatte für dieses Verhalten

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